Königreich Sachsen. 15
6.
Bürger.
Eine besondere Klasse der Gemeindemitglieder bilden die Bürger:
nur sie haben Anspruch auf Teilnahme an etwaigen bürgerlichen Nutzungs-
rechten, und nur sie sind unter gewissen weiteren Voraussetzungen zur Teil-
nahme an der städtischen Verwaltung, insonderheit an den Wahlen der
Gemeindeorgane, berufen. Die Städteordnungen unterscheiden zwischen solchen
Gemeindemitgliedern, welche zum Erwerbe des Bürgerrechts berechtigt sind,
und solchen, welche zum Erwerbe dieses Rechts verpflichtet sind.
1. Berechtigt zum Erwerbe des Bürgerrechts sind nur physische
Personen (ohne Unterschied des Geschlechtes), welche
a) die sächsische Staatsangehörigkeit besitzen,
b) das 25. Lebensjahr vollendet haben,
Tc) unbescholten sind,
d) öffentliche Armenunterstützung weder beziehen noch im Laufe der letzten
zwei Jahre bezogen haben,
Te) eine direkte Staatssteuer von mindestens 3 Mark entrichten,
) auf die letzten zwei Jahre ihre Staatssteuer und Gemeindeabgaben,
Armen= und Schulanlagen am Orte ihres bisherigen Aufenthaltes voll-
ständig berichtigt haben:;,
9) entweder im Gemeindebezirk ansässig sind oder daselbst seit wenigstens
zwei Jahren ihren wesentlichen Wohnort haben? oder in einer anderen
Stadtgemeinde des Königreichs Sachsen bis zur Aufgabe ihres bis-
herigen Wohnsitzes stimmberechtigtes Bürger waren.
Anlangend das Erfordernis der Unbescholtenheit, so beschränkt sich die
RNStO. (in § 18) auf die Bemerkung, daß als unbescholten diejenigen nicht
anzusehen seien, welche nach § 44 b—f der RStO. das Stimmrecht nicht
ausüben können. Es sind dies diejenigen, zu deren Vermögen gerichtlicher
Konkurs eröffnet worden ist, während der Dauer des Konkursverfahrens,
oder welche von öffentlichen Amtern, von der Advokatur oder von dem
Notariate suspendiert worden sind, sowie die Removierten auf fünf Jahre
von der Zeit der Remotion an, diejenigen, denen durch richterliches Erkenntnis
die bürgerlichen Ehrenrechte entzogen sind, auf die Dauer dieser Entziehung,
Jahrbücher des K. S. Oberverwaltungsgerichts, Bd. 3, S. 205.
Jahrbücher des K. S. ÖOberverwaltungsgerichts, Bd. 3, S. 270 ff. Der
Betrieb eines selbständigen Gewerbes im Gemeindebezirk begründet nicht einen An-
spruch auf Erwerbung des Bürgerrechts, vgl. oben § 5, 1 a.
3 S. unten § 7, II, 1.
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