16 Georg Häpe.
diejenigen, welche sich wegen eines Verbrechens oder Vergehens in Unter—
suchung befinden, das nach dem Strafgesetzbuche! im Falle ihrer Verurteilung
die Entziehung der Ehrenrechte zur Folge haben kann oder muß, ingleichen
diejenigen, welche Freiheitsstrafen verbüßen oder zwangsweise in einer öffent-
lichen Besserungs= oder Arbeitsanstalt untergebracht sind, und diejenigen,
welche unter polizeilicher Aufsicht 2 stehen.
Es ist streitig, ob diese Aufzählung erschöpfend sei oder nicht. Das
Oberverwaltungsgericht 3 hat die erstere Meinung geäußert, aber ohne über-
zeugenden Grund; denn die von ihm herangezogene Bestimmung in § 17
des Gesetzes, die Bildung von Bezirksverbänden betreffend, vom 21. April
1873 (284), durch deren Heranziehung nach Ansicht des Oberverwaltungs-
gerichts „jeder Zweifel schwinden“ soll, und nach welcher stimmberechtigt und
wählbar bei den Wahlen zur Bezirksversammlung nur solche selbständige
männliche Personen sind, welche die sächsische Staatsangehörigkeit besitzen
und im Sinne der Gemeindeordnungen unbescholten sind, dürfte nur be-
sagen, daß derjenige, welcher wegen mangels der Unbescholtenheit nicht
Bürger einer Stadt werden kann und, wenn er es vorher geworden sein
sollte, bei den Stadtverordnetenwahlen nicht stimmberechtigt und wählbar
ist (RSt O. 8 44 h), auch bei den Wahlen zur Bezirksversammlung nicht
stimmberechtigt und wählbar sein soll. Die andere Meinung hat zunächst
den Sprachgebrauch für sich; denn niemand wird einen wegen Raubes,
Notzucht, Meineids, Diebstahls mit Zuchthaus und Gefängnis vielfach vor-
bestraften Menschen, welcher sich nur ausnahmsweise einmal ohne Polizei-
aufsicht und im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte auf freiem Fuße be-
findet, als „unbescholten“ bezeichnen; hierzu kommt weiter noch der Rechts-
zustand, um dessen Revision es sich handelte, und unter dessen Herrschaft
die RSt O. erlassen worden ist, nämlich die §§ 73, 74 der Städteordnung
von 1832, wonach „solchen Personen, die sich durch unsittliche Auf-
führung der öffentlichen Achtung verlustig gemacht haben, nachdem ihnen
solches bekanntgemacht, und sie, auf Verlangen, darüber mit ihrer Ent-
schuldigung gehört worden, durch einen vom Stadtrate, mit Zustimmung
der Gemeindevertreter, zu fassenden Beschluß die Ausübung der bürgerlichen
Auch nach anderen reichsgesetzlichen Strafbestimmungen, z. B. Nes. v.
1. Mai 1889 (S. 55) § 140, RGes. v. 9. Juni 1897 (S. 463) § 482 Die Frage
dürfte unbedenklich zu bejahen sein.
2 „Polizeiliche Aufsicht“ beschränkt sich nicht auf die Fälle der „Polizeiaufsicht"
in 38 0, 39 des StrafG# B. Vgl. 1 361 Nr. 6 des StrafH B. A. M.; v. Bosse,
Die K. S. RStO., 5. Aufl., Anm. 8 zu N 44.
* Jahrbücher des K. S. Oberverwaltungsgerichts, Bd. 1 S. 237.