(O und ihr Ziel immer gewesen.
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Reichstag. — 197. Sitzung. Sonnahend den 26. Oktober 1918.
(v. Graefe, Abgeordneter.)
Aber ich verstehe es nicht,
daß weite andere Kreise aus der Mitte des Hauses, die
bisher auf anderem Boden gestanden haben, jetzt die
monarchischen Grundrechte der Krone, die sie doch als
einen Kraftfaktor unseres Vaterlandes ansehen müssen,
mit eigener Hand mit niederreißen wollen, um dadurch
eine äußerst schwere Verantwortung auf sich zu nehmen.
Darüber wird die Geschichte einstmals zu Gericht sitzen,
und, ich glaube, es wird mancher von Ihnen diese Stunde
bitter bereuen.
(Lebhafter Beifall rechks. — Zischen links.)
Präsident: Das Wort hat der Kommissar des
Bundesrats Herr Gröber.
Gröber, Abgeordneter, beauftragt mit der Wahr-
nehmung der Geschäfte eines Staatssekretärs, Kommissar
des Bundesrats: Meinec Herren, als Kommissar habe ich vor
allem die Erklärung namens der Reichsleitung abzugeben,
daß; wenn der Abänderungsantrag Nr. 1984 Annahme in
diesem hohen Hause findet, die Reichsleitung im Bundes-
rat für die Annahme dieses Gesetzentwurfs eintreten wird.
(Bravol links.)
Was den Inhalt der vorgeschlagenen Verfassungs-
änderungen betrifft, so habe ich folgendes zu erklären.
Die Abänderung des Art. 11 will einer alten und
von der jetzigen Regierung durchaus als berechtigt
anerkannten Forderung des Reichstags entsprechen, in-
dem diese Abänderung dem Reichstag die unbeschränkte
Mitentscheidung über die Erklärung des Krieges und
über den Friedensschluß zuschreibt. Wer einen solchen
schweren Krieg miterlebt hat, kann nicht mehr im Zweifel dar-
über sein, daß die Verantwortung für einen Krieg nicht auf
die Schultern einer einzigen Person, und moag sie noch
so hervorragend sein und mag sie noch so gewissenhaft
ihrer Aufgaben walten, gelegt werden darf.
(Sehr richtig! links.)
Diese ungeheuren, diese grenzenlosen Opfer an Blut und
Gut müssen gebracht werden vom ganzen Volk. Es kann
heutzutage ein großer Krieg nur geführt werden, wenn er
ein wahrer Volkskrieg ist. Anders läßt sich ein solcher
Krieg heutzutage nicht mehr denken.
(Sehr richtig! links.)
Und daraus folgt, daß dieser Krieg auch nur mit der
vollen Zustimmung des Volkes erklärt werden kann, und
daß über den Friedensschluß unbedingt und unbeschränkt
auch die Zustimmung der Volksvertretung zu erfolgen hat.
Was sodann die Bestimmung im Art. 15 betrifft, so
zieht der erste neue Absatz, der dahin lautet:
Der Reichskanzler bedarf zu seiner Amtsführung
des Vertrauens des Reichstags
nur die formelle Konsequenz der Erklärung des Herrn
Reichskanzlers, die er neulich gegeben hat.
(Sehr richtig! links.)
Es ist das also nicht etwa eine neue Forderung, es ist
vielmehr nur die Formulierung der Erklärung bes Herrn
Reichskanzlers zu einem Rechtssatz, jener Erklärung, die
dahin gelautet hat, daß nach seiner Uberzeugung nicht
bloß jetzt, sondern in aller Zukunft ein Reichskanzler
seines Amtes nur walten kann, wenn er des Vertrauens
der Mehrheit des Reichstags sicher sei.
(Sehr richtig! links.)
Wenn sodann die Verantwortlichkeit des Reichs-
kanzlers in dem zweiten neuen Absatz auf alle Handlungen
des Kaisers, soweit sie von politischer Bedeutung sind,
ausgedehnt wird, so entspricht diese Ausdehnung der
richtig aufgefaßten Auslegung des bisherigen Rechts.
(Sehr richtig! links.) «
Diese Ausdehnung schneidet nur Zweifel ab und ist inso-
fern allerdings von großer Bedeutung; sie sichert die volle
Bedeutung der Aufgabe des Reichskanzlers gegen jede
mögliche Einschränkung.
worden ist, was unter den Handlungen von politischer
Bedeutung zu verstehen sei, so ist das ja an Beispielen
schon von dem Herrn Sprecher der Antragsteller, dem
Herrn Abgeordneten Müller (Meiningen) klargemacht
worden. Ich möchte meinerseits noch ein anderes Bei-
spiel beifügen: wenn Deutschland zum Beispiel Truppen
nach Finnland entsendet, so ist das eine Frage nicht bloß
von militärischer Bedeutung,
(sehr richtig!)
sondern auch von großer politischer Bedeutung.
(Sehr wahr.)
Und hier die Verantwortung des Reichskanzlers auch auf
eine solche Aktion auszudehnen, scheint der Regierung
durchaus gerechtfertigt zu sein.
(Sehr richtig!)
Die Behandlung der besetzten Gebiete ist ein weiteres
Beispiel;
(sehr richtig!)
die Einrichtung und Verwaltung der besetzten Gebiete,
(sehr richtig!)
die Behandlung der Bevölkerung in diesen besetzten Gebieten,
sehr richtig!)
das alles sind Fragen von so großer politischer Bedeutung,
daß dafür eine verantwortliche Stelle dem Reichstag
gegenüber vorhanden sein muß.
Ohnedies ist ja schon heute außer Zweifel, daß die
Kriegführung nicht ohne die von seiten des Reichstags
geschehende Verwilligung der notwendigen Gelder erfolgen
kann. Schon in dieser Notwendigkeit der Verwilligung
der Gelder liegt eine Rechtsgrundlage für die Mitwirkung
des Reichstags und für die Verantwortung des Reichs-
kanzlers, der für die ordnungsgemäße Verwendung dieser
Gelder einzutreten hat.
Ich kann auch nach der Richtung auf ein paar Vor-
gänge zurückverweisen, die in diesem Augenblick, wo der
Reichstag diese Formulierung beschließen soll, von großem
Interesse sind. Der erste Reichskanzler des Deutschen
Reiches, Fürst Bismarck, hat am 24. Februar 1878 in der
„Post"“ einen Artikel erscheinen lassen. Er war veranlaßt
durch die damals im Vordergrund der öffentlichen Er-
örterung stehende Boulanger-Affäre. Und dieser Artikel
laute in dem Teile, der hier von Interesse ist, folgender-
maßen:
Wir legen Gewicht auf eine Verwahrung unseren
englischen Freunden gegenüber. Diese scheinen so
überzeugt zu sein, daß Deutschland entschlossen
sei, einer für unabwendbar gehaltenen Gefahr
demnächst zuvorzukommen, daß sie seit einigen
Wochen mit Eifer die Frage des Schutzes der
belgischen Neutralität erörtern, welcher England
in Gemeinschaft mit anderen Großmächten obliegt.
Man kommt zu dem Resultat, daß die Ver-
letzung der belgischen Neutralität zu gestatten
sei, wenn der Sieger sich verpflichtet, beim
Frieden die Unabhängigkeit Belgiens nicht an-
zutasten. Das sind sehr verfrühte, und nicht nur
verfrühte, sondern selbst grundlose Sorgen und
Pläne. Daß die deutsche Politik entschlossen
ist, nicht darum einen Krieg zu beginnen,
weil sie glaubt, daß er ihr aufgedrungen wird,
hat Fürst Bismarck am 11. Januar mit allem
Nachdruck erklärt. Außerdem aber würde Deutsch-
land nie einen Krieg mit der Verletzung eines
europäischen Vertrags beginnen.
(Hört! hört.)
Man nimmt in England an, daß die deutsch-
französische Grenze durch Frankreichs Ver-
teidigungsanstalten für jede Offensive unzugäng-
lich geworden und daß folglich der deutsche
—
Wenn die Frage aufgeworfen (0)
D)