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Reichstag. — 197. Sitzung. Sonnabend den 26. Oktober 1918.
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(Gröber, Staatssekretär.)
Generalstab den Durchbruch durch Belgien ins
Auge fassen müsse.
(Hörtl hört!)
Wir glauben nur nicht, daß englische Tages-
schriftsteller, so einseitig sie sein mogen, so leicht
imstande sind, die Kombinationen des deutschen
Generalstabes zu erschopfen. Jedenfalls befinden
sie sich im Irrtum, wenn sie meinen, die Leitung
der Politik sei bei uns (in Deutschland) den Ge-
sichtspunkten des Generalstabes unterworfen, und
nicht umgekehrt.
(Hörtl hört))
Also Fürst Bismarck hat damals öffentlich in dem inspi-
rierten Artikel erklären lassen: die Politik, die er verant-
wortlich zu fuhren habe, stehe über den Gesichtspunkten
des Generalstabs.
(Sehr richtig!)
Sodann nehme ich Bezug auf eine Außerung, die
der Reichskanzler Fürst Bülow in der Reichstagssitzung
vom 19. Januar 1903 gemacht hat. Sie lautet:
Ich werde es niemals ablehnen, die Verant-
wortung zu übernehmen für die Rückwirkung,
welche solche persönlichen Kundgebungen
— gemeint sind Kundgebungen Seiner Majestät des
Kaisers —
haben können auf den großen Gang der Politik;
denn ich bin dem Bundesrat wie diesem hohen
Hause verantwortlich fur eine Führung der Ge-
schäfte, welche weder den äußeren noch den
inneren Frieden des Reichs gefährdet.
Also die allgemeine und unbeschränkte Verantwortung des
Reichskanzlers fur die Politik des Deutschen Reichs, auch
für alle politischen Kundgebungen des Kaisers.
Sodann hat der Herr Vorredner, der Herr Abge-
ordnete v. Graefe Anstand daran genommen, daß der Adge-
ordnete Müller (Meiningen) ausgefuhrt hat, die Erklärung
des unbeschränkten Unterseebootkrieges wurde nach seiner
Annahme auch unter die Verantwortung des Reichs-
kanzlers fallen. Ich möchte nach der Richtung doch daran
erinnern, was uns allen als Abgeordneten im Gedächtnis
ist, wie damals, als im Hauptausschuß die Verhandlung
über die Frage des Beginns des unbeschränkten Untersee-
bootkrieges stattfand, ganz klipp und klar dem Reichstag
Gelegenheit geboten worden ist, sich über diese Frage
auszusprechen, daß also der Reichskanzler v. Bethmann
Hollweg anerkannt hat, daß er zu diesem weitgehenden
Schritt der Deckung durch den Beschluß des Reichstags
beziehungsweise seiner Hauptkommission bedürfe. Sounst
hätte die ganze Aktion gar keinen Zweck gehabt.
Was sodann die Verantwortung des Reichskanzlers
gegenüber dem Bundesrat und dem Reichstag betrifft,
so ist diese Frage im hohen Haus schon so oft behandelt
worden, daß, glaube ich, nicht notwendig sein wird, über
die Frage jetzt noch Ansführungen zu machen. Die Frage
ist ja eigentlich in der Hauptsache, was den Reichstag
angeht, schon in der Verfassung entschieden. Es handelt
sich nur darum, den Weg gesetzlich zu regeln, auf dem
diese staatsrechtliche Verantwortung geltend gemacht
werden kann. Nach der Richtung liegt die Ankündigung
des Herrn Reichskanzlers vor, daß er dem hohen Hause
eine Vorlage unterbreiten werde, welche diesen Weg regelt.
Also etwas Neues wird nach der Richtung in dem Antrag
nicht enthalten sein.
Wenn aber der Herr Vorredner, der Herr Abge-
ordnete v. Graefe nun zu den Ziffern 4 bis 6, welche die
Gegenzeichnung der Kriegsminister behandeln, die Be-
hauptung aufgestellt hat, daß mit dieser Bestimmung die
gesamte Kommandogewalt des Kaisers beseitigt werde,
62 befindet er sich in einem Irrtum. Davon ist nicht die
ede. Die Kriegführung und die Ausübung der Kom-
mandogewalt auch im Frieden bleibt nach wie vor, soweit (0)
es sich um Kontingentsangelegenheiten handelt, bei den
Kontingentsherren, bleibt, soweit es sich um Reichs-
angelegenheiten handelt, nach wie vor beim Kaiser. Es
scheidet nur aus dieser Kommandogewalt aus, was schon
bisher bei richtiger Auffassung des Rechts gar nicht
darunter hätte gebracht werden sollen,
(sehr richtig! links)
nämlich die Frage der Ernennung, Versetzung, Beförde-
rung und Verabschiedung der Offiziere und der Militär-
beamten. Es war eine irrige Auslegung des geltenden
Rechts, wenn gesagt worden ist, das gehöre wesentlich
zur Ausubung der Kommandogewalt. Bekanntlich war
die Auffassung in den anderen Kontingentsheeren eine
entgegengesetzte Sowohl in Bayern wie in Sachsen und
Wurttemberg findet jetzt schon eine Gegenzeichnung der
Ernenungen, Beförderungen, Versetzungen und Verabschie-
dungen der Offiziere und Militärbeamten statt.
(Sehr richtigl)
Man hat das dort nie anders gekannt und hat es nie
anders gewünscht, und ich kann mirteilen, daß die König-
lich preußische, sächsische und württembergische Regierung
ihre Zustimmung zu einer solchen Anderung bereits ge-
geben haben.
(Hörtl hörtl links.)
Bayern ist daran nicht beteiligt, nicht als ob man ein
neues Privilegium fur Bayern schaffen wollte, sondern
weil hier einfach unverändert bleibt, was am Schluß des
Abschnittes gesagt ist, daß nämlich die Bestimmungen über
das Kriegswesen auf Bayern nur Anwendung finden, so-
weit der Bundnisvertrag nicht etwas anderes bestimmt.
Da nun alle diese Artikel, soweit sie hier in dem Ab-
ä#nderungsantrag enthalten sind, in diesem Abschnitt stehen,
und nur diese Artikel, nicht aber die Schlußbestimmung
bezüglich des bayerischen Bündnisvertrags abändern, so
ist klargestellt, daß bezüglich des bayerischen Bündnis= (D)
vertrags nicht das Geringste abgeändert wird. Ich darf
hervorheben, daß auch die Militärkonvention mit Wurttem-
berg durch diese Beschlüsse formell keine Abänderung
elhält. Es mag späterhin, wenn dieses Gesetz zustande
kommt, überlegr werden, ob nicht vielleicht doch die eine
oder andere Bestimmung dieser Militärkonvention besser
abgeändert wird. Das ist aber eine spatere Frage.
Formell wird auch die Militärkonvention mit Württem-
berg durch solche Beschlüsse, wenn das hohe Haus sie
fassen sollte, nicht abgeändert.
Ich darf auch hervorheben, daß selbst in Preußen
ursprünglich eine andere Praxis bestanden hat.
6 (Sehr richtig! links.)
Das darf man doch auch nicht übersehen. Es hat sich
diese Praxis erst allmählich gebildet. Sie ist eingeleitet
worden durch eine Kabinettsorder vom 18. Januar 1861,
und erst im Jahre 1883 ist dem Kriegsministerium die
Behandlung jener Personalien entzogen worden. Es ist
schon bei einer anderen Gelegenheit mitgeteilt worden,
daß zum Beispiel unser Feldmarschall Moltke, als er zum
Chef des Generalstabs ernannt worden ist, seine Er-
nennung zum Generalstabschef dom Kriegsminister kontra-
signieren lassen mußte
(Zuruf links)
— und das hat ihm gar nichts geschadet und hat auch
unserer Militärverwaltung und unserm Generalstab nichts
geschadet.
Das muß ich freilich auch an dieser Stelle hervor-
heben, daß das persönliche Treueverhältnis, überhaupt die
persönlichen Bezlehungen zwischen dem Offizierkorps und
den Kontingentsherren, zwischen dem Monarchen und den
Offizieren durch alle derartigen Bestimmungen nicht die
geringste Anderung erleiden.
(Sehr richtig! links und im Zentrum.)