6200
(Gröber, Staatssekretär.)
(A) Dieses persönliche Treueverhältnis wird nach wie vor in
voller idealer Tiefe fortbestehen. Wie es zwischen
unserem herrlichen Offtzierkorpgs und dem Monarchen
immer bestanden hat, so wird es auch in Zukunft be-
stehen. Dieses Treueverhältnis hängt nicht von staats-
rechtlichen Formulierungen und Regulierungen ab; das
ist ein Herzensbedürfnis und eine Sache des Pflicht-
gefühls unserer Offiziere und wird durch die vorge-
schlagene Verfassungsänderung in keiner Weise berührt.
Im übrigen möge doch mir als Süddeutschen ge-
stattet sein, bei dieser Gelegenheit auch noch anzufügen:
unsere bayerischen, württembergischen und sachsischen
Offiziere lassen sich an Treue zu ihrem Monarchen auch
nicht überbieten, obgleich bisher alle ihre Ernennungen,
Beförderungen und Versetzungen kontrasigniert worden sind.
Geiterkeit und sehr richtig! links.)
Und nun gestatten Sie mir noch, mit wenigen Worten
eine Ubersicht zu geben über die Wirkungen der Anträge,
falls sie Gesetz werden sollten, im Zusammenhang mit
den Anderungen, die das hohe Haus gestern schon zu
dem Gesetz über die Stellvertretung des Reichstanzlers
beschlossen hat. Es ist von mehreren Seiten geliend
gemacht worden, daß da kein rechter Zusammenhang
zwischen diesen Bestimmungen bestehe, daß sie willkur-
lich herausgegriffen seien. Das scheint mir nicht
der Fall zu sein. Es handelt sich bei der ganzen
Neuregelung allerdings um die Rechte der Volksvertretung
und deren Konsequenzen, um die Rechte der Volksver-
tretung, sofern sie bet der Entscheidung über Krieg und
Frieden selbst mitzuwirken hat, und zwar in allen Fällen
mitzuwirken hat, dann aber auch um das Recht des
Reichstags, das darin liegt, daß der Reichskanzler und
die Kriegsminister ihm verantwortlich sein sollen. Tat-
sächlich haben die Herren Kriegsminister bisher eigentlich
eine Verantwortlichkeit anerkannt — tatsächlich! Be-
(B) sonders der preußische Herr Kriegsminister hat niemals
nelehr, wenn der preußische Militäretat zur Beratung
tand; er hat es immer als seine Aufgabe angesehen, nicht
bloß im Saale anwesend zu sein und auf Fragen Rede
und Antwort zu stehen, auf alles Auskunft zu geben,
sondern er hat darüber hinaus alles getan, was ein ver-
antwortlicher Minister in einem solchen Falle über-
haupt tun kann. Auch die Kriegsminister von Sachsen
und Württemberg sind oft genug hier im Hause
erschienen und haben, wenn ihnen an den Positionen
ihres eigenen Etats gelegen war, im Hause gesprochen
und alle an sie gerichteten Fragen beantwortet. Wenn
nun aus dieser tatsächlichen Anerkennung einer Verant-
wortungepflicht formell die Konsequenz gezogen wird, so
scheint mir doch aus dieser rechtilichen Anerkennung der
bisherigen tatsächlichen Ubung nicht der Zusammensturz
des ganzen Gebäudes unseres Heerwesens hergeleitet
werden zu können. Es ist ganz klar, daß für die Aus-
gestaltung und Durchführung des Etats eine verantwort-
liche Stelle da sein muß, und zwar eine Stelle, die für
alle Einzelheiten des Etats verantwortlich sein muß, und
daß eine Stelle bestehen muß, vor der diese Ver-
antwortung stattfindet. Ist nun das letztere der
Landtag oder der Reichstag? Es ist von den Kriegs-
ministern von Preußen und von Sachsen, und, wenn
ich mich nicht sehr täusche, auch von dem württem-
bergischen Kriegsminister schon des öfteren die Erklärung
abgegeben worden, daß sie gegenüber dem Landtage
eine formelle Verantwortung nicht haben. Vor ein paar
Jahren, im Jahre 1915 und 1916 hat der preußische
Kriegsminister, als das Abgeordnetenhaus seine Anwesen-
heit wünschte — es handelte sich um gewisse Rückwirkungen
des Krieges auf landwirtschaftliche Verhältnisse, über die
man den Kriegsminister in aller Form hören wollte —
erklärt, er werde nicht kommen, denn das prenßische
Reichstag. — 197. Sigung. Sonnaben den 26. Oktober 1918.
Abgeordnetenhaus habe ihn nicht zu fragen, und er habe (0,
dem preußischen Abgeordnetenhause nichts zu sagen. Bei
einem späteren Anlasse hat der betreffende Kriegsminister
zwar einen Kommissar geschickt, damit dieser Auskunft
geben sollte, hat aber formell Verwahrung dagegen ein-
gelegt, daß man daraus eine rechtliche Verpflichtung zu
seiner Verantwortung vor dem Abgeordnetenhause her-
leitcte. Dasselbe ist in Sachsen geschehen. Nach meiner
UÜberzeugung können in der Tat die Landtage nicht den
Anspruch erheben, daß ihnen gegenüber die Kriegsminister
formell verantwortliche Erklärungen abzugeben haben.
Wenn das aber richtig ist, wo ist dann die Sielle, an der
wirklich eine rechtliche Verantwortung besteht? Im
Landtage besteht sie nicht. Im Reichstage aber, wo die
Verhandlungen über den Etat stattfanden, wo die Gelder
bewilligt werden, da besteht bieher keine verantwortliche
Stelle. Ist das nun eine so schreckliche Konsequenz,
wenn die gesetzgebenden Faktoren dazu übergehen, zu
bestimmen, daß die rechtliche Verantwortung des Kriegs-
ministers gegenüber dem Bundesrat und dem Reichstag
auch formell festgestellt werden soll, nachdem schon
bisher tatsächlich diese Anerkennung stattgefunden und
nachdem wir längst die Überzeugung gewonnen haben,
daß eine Stelle geschaffen werden muß, vor welcher der
Kriegsminister einen Elat und die Durchführung der Etats
zu verantworten hat! Macht man sich das klar, dann
wird man sich nicht verhehlen können, daß der von dem
Herrn Abgeordneten Ebert und Genossen vorgelegte Antrag
durchaus begründet ist. Hier sollen allerdings hochpoli-
tische Konsequenzen der Parlamentarisierung durchgefuhrt
werden, im Grunde genommen aber handelt es sich doch
nur um die Konsequenz und zeitgemäße Weiterentwicklung
des geltenden Nechts, und um einen Schritt, den man
schon längst hätte tun können, und den man jetzt zu tun
allen Anlaß hat. Deshalb werden die Herren es zugeben,
daß es nicht so etwas Ungeheuerliches und Schreckliches (D)
ist, wie der Herr Vorredner es hinzustellen beliebte, wenn
die Reichsregierung die Erkärung hat abgeben lassen, sie
sei entschlossen, falls das Haus diesem Antrage zustimmt,
im Bundesrat für die Annahme dieses Gesetzentwurfes
einzutreten.
(Bravol)
Vizepräsident Dove: Ich teile zunächst mit, daß der
Antrag 1985 Albrecht und Genossen nunmehr sechs weitere
Unterschriften gewonnen hat, daß er jetzt also mit zur
Diskussion steht.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Landsberg.
Landsberg, Abgeordneter: Meine Herren, es ist
meinen Freunden und, wie ich annehme, auch den anderen
Parteien, die Mitantragssteller der Mehrheitsanträge sind,
darum zu tun, daß die Anträge zu Artikel 11, 15, 53 und
66 der Verfassung so rasch als möglich Gesetz werden.
Die Anträge der Herren Albrecht und Genossen, die jetzt
genügend unterstützt sind, enthalten beachtenswerte, auch
von meinen Freunden vertretene Gedanken. Uber einige
von ihnen wird man sich aber, glaube ich, noch im
einzelnen unterhalten müssen, uud deshalb schlage ich vor,
die Anträge Albrecht und Genossen dem Verfassungs-
ausschuß zu überweisen, der sich ja ohnehin mit dem
weiteren Ausbau der Verfassung in der nächsten Zeit zu
befassen haben wird und dann diese Anträge miterledigen
ann.
Meine Herren, Kein ernster konservativer Mann, der
eine bessere staatsrechtliche und politische Schulung besäße
als der Herr Abgeordnete v. Graefe, würde von seinem
Standpunkte aus allen Anlaß gehabt haben, mit Ent-
schiedenheit gegen unsere Anträge zu Artikel 11 und 15
der Verfassung anzurennen, denn ich verkenne nicht einen
Augenblick und mit der Ehrlichkeit, die immer die Richt-