Full text: Verhandlungen des Reichstags. 314. Band. (314)

Reichstag. — 197. Sitzung. Somabend den 26. Oktober 1918. 
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(Landsberg, Abgeordneter.) 
(A) Jzur meines Handelns gewesen ist und sein wird, gebe 
, 
(8 
zu: die Bedeutung dieser Anträge ist eine unerhört große. 
(Hört! hört!) 
Mit diesen Anträgen kommt ein neuer Grundsatz zur 
Geltung. Durch sie wird die Regierungsgewalt in den 
entscheidenden Punkten in die Hände des Volkes gelegt, 
durch die Vermittlung der dem Parlament verantwortlichen 
Regierung. 
(Sehr richtig! links.) 
Gegen diese außerordentlich wichtigen Anträge hat der 
Abgeordnete v. Graefe aber sehr wenig gesagt. 
(Sehr richtig! links.) 
Er hat gemeint, über die Frage, wer über Krieg und 
Frieden zu entscheiden habe, könne man in ruhigen Zeiten 
reden, nur Kriegszeiten eigneten sich dafür nicht. Und er 
hat gesagt, ein Reichskanzler, der das Vertrauen des 
Parlaments nicht besitze, könne sich auf die Dauer doch 
nicht im Amte halten, im Grunde genommen sei also 
unser Antrag zu Art. 15 der Verfassung überflüssig. Das 
sind im wesentlichen die Einwendungen dieses konservativen 
Mannes, dieser Säule der monarchischen Gewalt, gegen 
unsere grundlegenden, bedeutsamen Anträge gewesen! Das 
ganze Schwergericht seiner Polemik — wenn ich an- 
gesichts der Art seiner Polemik von einem Schwergewicht 
reden darf — « 
(Heiterkeit und sehr gut! links) 
hat er gegen unsere Anträge zu Art. 53 und 66 der 
Verfassung gerichtet, und dabei hat er eine Unkenntnis 
bewiesen, wie sie glücklicherweise ein Abgeordneter in diesem 
hohen Hause noch selten gezeigt hat. 
(Erneute Heiterkeit links und im Zentrum.) 
Ich muß doch sagen, daß ich, selbst wenn ich viel weniger 
Achtung vor diesem hohen Hause hätte, als sie mir eigen 
ist, es nicht gewagt haben würde, über eine Materie zu 
reden, von der ich 4K wenig verstehe, wie Herr v. Graefe 
von der Verfassung. Herr v. Graefe hat nicht gewußt, 
daß in Bayern, Sachsen und Württemberg die Offiziere 
und Militärbeamten unter Gegenzeichnung des Kriegs- 
ministers ernannt werden, — das jelle ich hiermit fest! — 
denn hätte er davon eine Ahnung gehabt, so hätte er 
nicht behaupten können, daß durch die Bestimmungen, die 
von uns vorgeschlagen werden, das Treueverhältnis 
zwischen Monarchen und Offizieren vernichtet wird. Herr 
v. Graefe hat auch nicht gewußt, daß das, was jetzt von 
uns verlangt wird, auch für Preußen nichts ist als die 
Wiederherstellung eines Zustandes, der bis zum Jahre 
1861 unangefochten bestanden hat und der richtiger 
Meinung nach auch durch die Kabinettsorder von 1861 
nicht geändert worden ist, 
(Zuruf links) 
— auch, wie die Kabinettsorder ausdrücklich sagt, nicht 
geändert werden sollte. Aber, meine Herren, näher nach- 
zuweisen, daß die Anträge zu den Art. 53 und 66 nichts 
anderes als eine authentische Interpretation sind, ist 
jetzt nicht die Zeit, die meiner Meinung nach für staats- 
rechtliche Vorträge etwas zu ernst ist. Ich glaube, 
daß dies der einzige Punkt ist, in dem ich mit Herrn 
v. Graefe übereinstimme; denn irgend etwas Staatsrecht- 
liches habe ich in seinen Ausführungen nicht gehört. 
(Sehr gut! und Heiterkeit links.) 
Das Hauptargument, das er ins Feld führte, ist die 
schwache Besetzung der Ministerbank gewesen. Es ist aller- 
dings unverzeihlich von den Herrn Staatssekretären, daß 
ihnen andere Geschäfte wichtiger zu sein scheinen als das 
Anhören einer Rede des Herrn v. Graefe. Ich meiner- 
seits bin mit der Zahl der am Bundesratstische sitzenden 
Herren vollkommen zufrieden. 
(Zustimmung links und im Zentrum.) 
Nicht sehr staatsrechtlich fand ich auch das Argument des 
Herrn v. Graefe gegen unseren Antrag zu Art. 15, das 
Reichstag. II. 1914/1918. 197. Sitzung. 
  
  
er der Möglichkeit einer Personalunion zwischen den Amtern (O) 
des Reichskanzlers und des preußischen Ministerpräsidenten 
entnommen hat. Er sagte uns nämlich, wenn ein Minister 
zugleich Reichskanzler und preußischer Ministerpräsident 
sei, so könne es durch ein Mißtrauensvotum des Reichs- 
tags, das ihn als Kanzler stürze, dahin kommen, daß 
Preußen durch das Reich entrechtet werde. Ja, mit Ver- 
laub! wo steht denn geschrieben, daß ein Mann, der im 
glücklichen Besitze dieser beiden wichtigen Amter ist, wenn 
er als Reichskanzler von seinem Amte entfernt wird, 
nicht weiter preußischer Ministerpräsident bleiben kann? 
Die Möglichkeit ist durchaus gegeben. Wenn man aber 
dem Reichstage zumutet, sich einen Kanzler gefallen zu 
lassen, der sein Vertrauen nicht genießt, bloß aus dem 
Grunde, weil er preußischer Ministerpräsident ist, dann 
tut man etwas anderes, man entrechtet nämlich das Reich 
zugunsten Preußens, 
(sehr richtig! links) 
und das ist allerdings etwas, was Herrn v. Graefe nicht 
übermäßig unsympatisch sein wird. 
(Heitere Zustimmung links.) 
Im Vorbeigehen möchte ich einen kleinen Irrtum des 
Herrn v. Graefe berichtigen, nicht, weil die Sache be- 
sondere Wichtigkeit hätte, sondern aus dem Grunde, weil 
ich auf der Linken nicht den Vorwurf der Unehrlichkeit 
sitzen lassen will, den er ihr unter der Blume gemacht 
hat. Er hat nämlich gesagt: als er früher einmal über 
das parlamentarische System gesprochen und ausgeführt 
habe, es führe zu einem Schattenkönigtum, sei das von 
der Linken bestritten worden, und jetzt werde es zugegeben. 
Nun will ich auf die Frage des parlamentarischen Systems 
heute nicht in Ausführlichkeit eingehen — mir scheint kein 
Bedürfnis danach vorzuliegen, es marschiert ja auch von 
selbst; ich möchte nur sagen, wie der Hergang war, auf 
den Herr v. Graefe angespielt hat. Als Herr v. Graefe 
  
die von ihm heute zitierte Rede hielt, an die er besser ([O) 
nicht erinnert hätte, da habe ich ihm bei den Worten, 
der König in einem parlamentarisch regierten Lande sei 
ohne weiteres dazu verurteilt, eine Null zu sein, und 
habe keinen politischen Einfluß, zugerufen: Eduard VII. 
(Sehr gut! bei den Sozialdemokraten.) 
Darauf hat er geantwortet — und damit hat er eigent- 
lich das parlamentarifche System so glänzend gerecht- 
fertigt wie noch niemals vor ihm ein Redner —: Was 
wollen Sie, Eduard VII. war ein tüchtiger Kerl! 
(Große Heiterkeit links.) 
Das parlamentarische System hindert in der Tat keinen 
Monarchen, der ein tüchtiger Kerl ist — um mit Herrn 
v. Graefe zu sprechen —, etwas zu leisten; es hindert 
aber einen Monarchen, der unfähig ist, Unheil anzurichten. 
(Lebhafte Zustimmung links.) 
Meine Herren, Herr v. Graefe sagte, es sei bei der 
geringen Zeit, die zwischen der Einbringung unserer An- 
träge und ihret Beratung liege, schwer, über sie zu sprechen. 
Die hinter ihm stehende konservative Presse hat viel 
weniger Zeit, als er für die Vorbereitung zu seiner Rede 
in Anspruch genommen hat, gebraucht, um Artikel zu 
schreiben, gegen die selbst seine Rede matt gewesen ist. 
Ich gebe ihm gern zu, er hat sich die größte Mühe ge- 
geben, hier ein großes Entrüstungsfeuer aufflammen zu 
lassen. An der Mühe hat es nicht gefehlt. Wenn er 
keinen Eindruck gemacht hat, lag das auch nicht daran, 
daß seine Stimme infolge der von ihm überstandenen 
Krankheit noch etwas schwach ist. Es lag daran, daß 
seine geistigen Kräfte unzureichend sind. Die konservativen 
Zeitungen verstehen das Geschäft des Aufputschens, des 
Hetzens besser als er. Die „Kreuzzeitung" schreibt heute 
früh zu unseren Anträgen: 
Der Geist, der sich vor dem Kriege bei der 
Zaberner Affäre zeigte, hat weitergefressen. 
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