Full text: Verhandlungen des Reichstags. 314. Band. (314)

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(Saase [Konigsberg], Abgeordneter.) 
(#seine Stellung in Syrien befestigt. Bulgarien ist aus dem 
ündnis mit uns ausgeschieden und schließt einen Sonder- 
frieden mit der Entente. 6 
genötigt, infolge ihrer inneren Zustände, diesem Beispiel. 
zu folgen. Der deutsche Imperialismus hat also das 
blutige Spiel in vollem Umfange verloren. 
(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) 
Er hat die denkbar schwerste Niederlage erlitten. Die 
Parole Helgoland-Bagdad wurde ja dazu benützt, um die 
Boltsleikenfchaft bei Beginn des Krieges aufzupeitschen. 
Dieses Programm ist zusammengebrochen. 
(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) 
Wir empfinden über einen Frieden, der zwar den deutschen 
Kapitalismus in seiner Ausbreitung hemmt, der aber den 
Kapitalismus der Entente stärkt, ihm andere Länder zur 
Ausbeutung ausliefert, keine Befriedigung. Wir sind und 
bleiben Gegner eines jeden Kapitalismus. Wir verwerfen 
überall die Ausbeutung der Menschen durch die Menschen. 
Selbst Professor Hoetzsch hat in der „Kreuzzeitung“ suge 
standen, daß mit dem Ausscheiden Bulgariens aus diesem 
Kriege der Krieg weltpolitisch zu ungunsten Deutschlands 
enschieden ist. Daran ist auch nicht zu zweifeln. Aber 
der Krieg ist, wie Tisza, der doch als eine Hauptstütze 
unseres Bündnisses galt, vor kurzem im ungarischen Par- 
lament ausgeführt hat, auch militärisch verloren, 
ört! hört! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten) 
und es wäre sinnlos, ja, es wäre verbrecherisch, wenn 
auch jetzt noch in Deutschland Versuche unternommen 
würden, die Lage zu verschleiern, wenn wir nicht den Tat- 
sachen klar ins Gesicht schauen wollten. 
(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) 
Das deutsche Volk fühlt sich belogen und betrogen in den 
letzten Jahren. 
(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) 
Das deutsche Volk begreift nicht, wie es möglich geworden 
(8) ist, nachdem ihm Jahre hindurch Tag für Tag erzählt 
worden ist von offiziellen Stellen und in den Zeitungen, 
auch in den Zeitungen der Regierungssozialisten, wir 
schritten von Sieg zu Sieg, daß plötzlich die deutsche 
Regierung ein Waffenstillstands= und Friedensangebot hat 
machen müssen. 
Meine Herren, es gibt viele unter den mir fern- 
stehenden Parteien, die in den letzten zwei Wochen das 
Geständnis abgelegt baben, daß meine Partei es gewesen 
ist, die am frühesten die wahre Sachlage erkannt und das 
Volk über den Tatbestand aufgeklärt hat. 
(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) 
Es wäre mit uns ganz anders bestellt, wenn schon im 
Frühjahr 1915 die ersten Friedensfäden, die sich damals 
anspannen zwischen England und Deutschland, nicht zerrissen 
worden wären. 
(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemakraten.) 
Als von uns darauf hingewiesen wurde, daß im Haag 
wischen einer einflußreichen englischen Persönlichkeit und 
ertrauensmännern des deutschen Volkes Aussprachen 
über einen Frieden stattgefunden haben, wurden wir be- 
schimpft. Damals hielt es Herr Scheidemann für seine 
Aufgabe, in der Presse meine Auffassung als Friedensente 
z ezeichnen. Schon damals haben wir das Material 
er Offentlichkeit unterbreitet; aber die Parteien dieses 
Hauses, mit Ausnahme meiner Fraktion, haben dem da- 
maligen Unterstaatssekretär Zimmermann blind vertraut, 
der die Behauptungen von uns für falsch erklärt hat. Ich 
glaube nicht, daß heute noch jemand in diesem Hause ist, 
er es wagen wird, die Erklärungen unserer Regierungs- 
  
vertreter als so fest anzusehen, daß man auf sie mit aller 
Sicherheit sein Urteil stützen könnte. Als im Früh- 
jahr 1916 an dieser Stelle es aussprach: dieser Krieg 
wird damit enden, daß es keinen Sieger und keine 
Besiegten geben wird, sondern nur Völker, die aus 
Osterreich und Ungarn sind 
  
Reichstag. — 194. Situng. Mittwoch den 23. Oktober 1918. 
Millionen Wunden bluten, hat es einen Sturm der Ent= (#) 
rüstung hervorgerufen. 
(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) 
Und es waren die Herren der Sozialdemokratischen Partei 
insbesondere, die sich nicht genug tun konnten, Be- 
schimpfungen gegen uns zu schleudern. Sogar der Unter- 
staatssekretär Dr. David —- 
(Stürmische Zurufe und Unruhe bei den Sozialdemokraten 
— Glocke des Präsidenten.) 
Präsident: Ich bitte um etwas Ruhe. Regen Sie 
sich doch nicht auf! 
aase (Königsberg), Abgeordneter: Meine Herren, 
daß Sie die Stirn haben, dokumentarisch belegte Tatsachen 
durch Geschrei aus der Welt schaffen zu wollen, kenn- 
zeichnet Sie. Wie wenig es stimmt, daß Sie nur darüber 
entrüstet waren, daß meine Gruppe mich als Redner vor- 
sandte, beweist die Tatsache, daß Ihr Mitglied Dr. David 
mir an den Kopf warf, daß ich die Interessen des Aus- 
landes vertrete. 
(Zuruf.) 
Wir wären heute glücklich, wenn die Situation, die ich 
damals zeichnete, dauernd geblieben wäre. Mit dem Mo- 
mente, wo Sie dazu übergingen, den verschärften U-Boot- 
Krieg einzuleiten, stimmte die Prognose nicht mehr. Meine 
Freunde und ich haben seitdem von dieser Stelle aus 
wiederholt erklärt, daß Sie das deutsche Volk an den Ab- 
grund führen, und daß die Gefahr besteht, daß es in den 
Abgrund hineinstürzt. 
(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) 
Allmählich ist in weiteren Kreisen bekannt geworden, auch 
durch Mitteilungen von anderer Seite, so durch Herrn 
v. Schulze-Gaevernitz, daß im Jahre 1916 die Möglichkeit 
bestand, einen Frieden zu schließen, daß unsere Regierung 
diese Gelegenheit nicht wahrgenommen, sondern die Be- 
mühungen des Präsidenten Wilson durchkreuzt hat. 
wäre sehr wertvoll, wenn der neue Herr Unterstaats- 
sekretär des Auswärtigen Amts die Archive öffnen wollte 
und dem Hause Mitteilung dabon machen würde, wie es 
im Herbst 1917 mit den Bemühungen des Papstes um 
einen Frehen bestellt gewesen ist. Auch damals — die 
Tatsachen sind bisher nicht öffentlich bekannt — ist an 
der Haltung unserer Regierung die Bemühung, den Frieden 
herbeizuführen, gescheitert. 
(Hört! hört! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten 
und den Polen.) 
Es ist ja überaus bezeichnend, daß die meisten Par- 
teien jetzt von dem verschärften U-Boot-Krieg abzurücken 
suchen. Sie möchten nicht gern als diejenigen gelten, 
welche diesen Krieg empfohlen haben, für ihn eingetreten 
sind. Es ist richtig, daß zum Beispiel die Regierungs- 
sozialisten im letzten Augenblick vor diesem Kriege ge- 
warnt haben, daß sie darauf hingewiesen haben, wie 
gefährlich er sei, daß er mit Notwendigkeit Amerika an 
die Seite unserer Gegner treiben und vielleicht unser 
Schicksal besiegeln würde. Aber alle Parteien dieses 
Hauses mit Ausnahme meiner Fraktion sind am letzten 
Ende an diesem Ergebnis mit schuldig, 
(sehr richtigsl bei den Unabhängigen Sozialdemokrater) 
Wir haben nicht vergessen, daß die erste U-Boot-Resolutton 
von den Herren Graf Westarp und v. Heydebrand bis zu 
den Herren Scheidemann und Ebert verfaßt und von 
diesen Namen mit untersiegelt worden ist. 
(Sehr wahr! bei den Unabhängigen Sozialdemokraten.) 
Jeder Politiker mußte einsehen, daß, nachdem das 
UBoot als eine wirkungsvolle Waffe bezeichnet worden 
war, ohne Rücksicht auf die völkerrechtlichen Grundsätze, 
mit innerer Logik schließlich der U-Boot-Kampf zum ver- 
schärften U-Boot-Kampfe übergehen müsse. D eh Konse- 
quenz nicht gesehen zu haben und im letzten Augenblicke 
Es (D)
	        
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