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bald seine Vereinigung zu machen hoffte, als ein neuer
Befehl (aus Setlitsche vom 5. Decembers, siehe Bei-
lage 17) des Fürsten Neuschatel (um 1 Uhr Mor-
gens) eintraf. Dieser so wie die übereinstimmenden Er-
zählungen mehrerer tausende von heranströmenden unbe-
waffneten franzbsischen Soldaten, lüfteten schon jetzt den
Schleper, welcher noch immer den Zustand der Haupt-
Armee verborgen gehalten. Bald blieb kein Zweifel
mehr, das ganze franzbsische große Heer sei völlig auf-
geldßt, aller Selbstvertheidigung unfähig. Einen ganzen
Tag (3. Decembers) währte der Durchzug einer zahl-
losen, unbewaffneter, theilweise in Lumpen gehüllter
Soldaten-Menge, die bald wüsten Räuberschwärmen,
bald umherwandelnden Gespenstern glichen. Der Ein-
druck dieses unerwarteten, entsetzenvollen Schauspiels
war für Wrede's Kriegsvolk über alle Beschreibung
erschütternd. Eben dieß Kriegsvolk hatte noch kurz vor-
her geglaubt, eine Vereinigung mit dem napoleonischen
Hauptheer müsse allen bisherigen Entbehrungen ein Ende
machen und zu neuen Siegen führen.
Auch die Russen hatten sich über Dolghinow dem
Puncte Wileika bis auf zwei Stunden genähert. Gene-
ral Wrede hatte dagegen eine starke Abtheilung nach
Kourjenets abgeschickt, um den Feind zu erkennen; den
General Grafen Beckers mit 3 hundert Bayern nach
Narocz gesandt, die dortige Brücke zu besetzen, und zu
verhindern, daß die Russen nicht die linke Flanke des Söten
Armeecorps beunruhigten. — Achtzehn Couriere nach
einander, welche bisher, wegen unterbrochener Verbin-
dung, an Fortsetzung ihres Weges verhindert waren,
eilten jetzt, begleitet von bayerischen Reitern über Wi-
leika in das kaiserlich franzbsische Hauptgelager.