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uͤberlegenen Feinde bald ereilt und bei tapferster Gegen-
wehr doch endlich uͤberwaͤltiget worden seyn. Stracks in
der Morgenfruͤhe fuͤhrte er das Kriegsvolk uͤber den ge-
fuͤrchteten Fluß, in der Richtung von Slobodka. Nur
auf diese Weise hatte er verhindern koͤnnen, daß keine
feindlichen Partheyen ihm die große Straße verrammeln
konnten, die nach Oszmiana fuͤhrte, wohin schon, wie
ihm Kundschafter berichteten, 300 russische Reiter von
Jodinski her, aufgebrochen waren. Kaiser Napoleon
genehmigte diese Bewegung, nur wuͤnschte derselbe, daß
sie so langsam, als moglich gemacht wurde. (S. Bei-
lage 10, deren Original jedoch Graf Wrede erst am
Abend des 0. Decembers erhielt.)
Das was Wrede mit äußerster Sorgfalt gern ver-
mieden hätte, den Anblick des fliehenden großen Heeres
der Franzosen, — schon in Wileika hatte man das
traurige Vorspiel gehabt! — hier war ihm nicht mehr
auszuweichen, als der Weg pldotzlich in die große Heer-
straße von Oszmiang einschlug, der von den Flüchtlingen
weit umher bedeckt war. Welch ein Anblick! Mehrere
Stunden lang mußten Wrede's Heerhaufen neben die-
sem verworrenen Menschenstrom hinwandern, der in al-
lerlei Tracht und Gewand gehnllt, aus den verschieden-
artigsten Volkerhorden zusammengesetzt zu seyn schien.
Niemand kann das Erstaunen, niemand den Eindruck
schildern, welchen der Anblick so vieler tausend aller
Zucht und Ordnung entwöhnten unbewaffneten, meistens
in Lumpen gewickelter, dem fürchterlichsten Elende preis
gegebenen Gestalten, auf das Gemüth jedes einzelnen
Soldaten machte! Die Offieiere des sechsten Armee-
corps, welche bisher noch mit seltener Hingebung einer
ruhmvollen Zukunft die Gegenwart willig geopfert hat-