Zeugenbeweis. 1395
untersuchung abgelegten Aussage steht der Umstand nicht entgegen, daß dieser als
Zeuge nach 8 59 der Deutschen StrafPO. von der Zeugnißpflicht befreit und hier—
über zu belehren gewesen wäre. (Dagegen ist in Bezug auf Zulässigkeit der Ver—
lesung von Aussagen in der Hauptverhandlung der Mitbeschuldigte im § 250 der
Deutschen StrafPO. dem Zeugen gleichgestellt.)
3) Die Anklage wider mehrere an derselben strafbaren Handlung Betheiligte
oder dieser Betheiligung Beschuldigte ist oft nicht Gegenstand derselben Hauptver-
handlung, da die Verhandlung gegen einen derselben mitunter erst zu einer Zeit
vorgenommen wird, wo die anderen bereits außer Verfolgung gesetzt oder verurtheilt
sind. Es kann im Allgemeinen nichts dagegen eingewendet werden, daß letztere bei
dieser Hauptverhandlung vernommen werden; und es kann dies nur in Gestalt der
Vernehmung als Zeugen geschehen. Bestünde darüber sein Zweifel, so müßte er vor
den Gesetzesbestimmungen verschwinden, welche die Ausschließung solcher Zeugen vom
Eide und überhaupt ihre Behandlung als verdächtige Zeugen betreffen (s. darüber unten).
4) Bei gleichzeitiger Verhandlung über mehrere strafbare Handlungen kann eine
Person bei der einen mitbetheiligt sein, während sie über die andere lediglich als
Zeuge auszusagen hätte. Dies kann aber nichts daran ändern, daß wenn die ver-
schiedenen strafbaren Handlungen den Gegenstand einer Hauptverhandlung bilden,
in dieser auch alle wegen einer derselben Angeklagten nur die Stellung von Mit-
angeklagten einnehmen, als Zeugen also nicht behandelt werden können. Ergeben
sich daraus Nachtheile, so muß eben rechtzeitig auf die Sonderung der bezüglichen
Strafsachen Bedacht genommen werden. —
Auch abgesehen von der Stellung des Beschuldigten, läßt sich der civil-
prozessuale Grundfsatz, daß Niemand Zeuge in eigener Sache sein könne, ein
Grundsatz, welcher in neuerer Zeit namentlich in England aufgegeben ist, auf den
Strafprozeß nicht einfach übertragen. Das Haupthinderniß liegt in dem Gegensatz
zwischen der theoretischen und der praktischen Stellung des Beschädigten. Der
Theorie nach berührt die strafbare Handlung als solche nur den Staat und die öffent-
liche Rechtsordnung, das Interesse des von derselben Betroffenen geht unter in dem
allgemeinen Interesse an ihrer Bestrafung; der Beschädigte hat in der Sache nicht
mehr als ein Anderer zu sagen. In Wahrheit wird aber der Beschädigte auf diese
Theorien nicht eingehen; er wird immer das Gefühl haben, daß ihn die Sache
näher angehe, und sehr häufig wird, auch da, wo der Adhäsionsprozeß ausgeschlossen
ist, ihn ein wichtiges Interesse mit der Verhandlung der Strafsache verknüpfen.
Tragen nun auch die modernen Gesetzgebungen diesem praktischen Bedürfniß Rechnung
(ogl. d. Art. Privatanklage), so kann dies doch nicht (oder nur ganz aus-
nahmsweise) dahin führen, daß man das ausschließliche oder auch nur überwiegende
Interesse des Beschädigten anerkennt, daß man ihn als dominus litis betrachtet.
Damit ist es auch theoretisch gerechtfertigt, daß man die Aussage des Beschädigten,
dessen Zeugniß in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle ganz unentbehrlich ist,
nicht aus dem Bereich des Z. ausschließt. Ist das im Allgemeinen richtig, so
können und sollen weitere Modifikationen in der Prozeßstellung darauf keinen Einfluß
üben. In den meisten Fällen ist der Anzeiger (Denunziant) der wahre Anreger
des Prozesses, recht eigentlich der promotor inquisitionis. Das Französ. Recht
kennt eine Spezialausschließung der bezahlten Anzeiger (dénonciateurs, dont la dénon-
ciation est recompensée pécuniairement par la loi, art. 322 n. 6 des Code d'In-
struction). Nach der Deutschen StrafH O. nimmt der Anzeiger insofern auch eine
prozessuale Stellung ein, als diese nicht blos Jedermann gestattet, bei der Staats-
anwaltschaft den Antrag auf Erhebung der öffentlichen Klage anzubringen, sondern
die Staatsanwaltschaft auch verpflichtet, den Antragsteller unter Angabe der Gründe
zu bescheiden, wenn dem Antrag keine Folge gegeben wird (§ 169). Noch weiter
gehen die Rechte des „Antragstellers“, welcher „zugleich der Verletzte“ ist, da dieser
bewirken kann, daß der Staatsanwaltschaft vom Gericht die Erhebung der öffent-
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