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les, was die Stadt an Schaͤtzen und Menschen enthielt,
waͤre deren wohlfeile Beute geworden.
In diesem Getümmel voll panischen Schreckens ge-
schah es, daß sich auch Wrede's Schlachthaufen für den
Augenblick gänzlich auflößten. Sie, welche ruhmwürdig
den ganzen Tag streng geordnet, in geschlossenen Gliedern,
aller Verluste nicht achtend, gegen einen vielleicht zwolf-
mal mächtigeren Feind gestritten hatten, sie mußten end-
lich hier das Geschick der übrigen Schaaren des napoleoni-
schen Heeres erfahren. Als sie, mit Hinterlassung alles
Fuhrwerkes, einzeln Mann für Mann durch das von Men-
schen und Pferden gleichsam verrammelte Stadtthor hinein-
drängten, war kein General, kein Officier im Stande, die
Leute in Reih und Glied zurückzurufen. Erst spät am
Abend gelang es den Feldherren und Hauptleuten, einen
Theil der Mannschaft beim Rathhause in der Stadt zu
sammeln, während ein anderer Theil, im Wahne, Ge-
neral Wrede habe mit dem Armeecorps die Hauptstadt
Litthauens schon verlassen, auf der Straße nach Kowno
weiter gegangen war. So geschah es, daß zum Beispiel
von der ersten bayerischen Brigade nur noch 50 Mann
übrig waren. Erst sehr spät Abends bequemte sich die
franzbsische Division Loison aus der vom Feinde hart
gedrängten Stadt hervorzurücken, und die Russen aus deren
Batterien von den Höhen zu vertreiben, welche die Vor-
stadt Wilna's beherrschten.
Während aber in der Nacht vom 0. zum 10. Decem-
bers sich die züugellose Menge des fliehenden napoleoni-
schen Heeres, Obdach und Nahrung suchend, in der mit
Todten und Verwundeten angefüllten Stadt herum trieb,
näherten sich die Russen, von Menenczyn her, den ndrd-
lichen Vorstädten Wilna's. Der Vortrab des Tschit=
schagof-