Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.1. Das Staatsrecht des Königreichs Bayern. (1)

5 11. Die Rechte der Unterthanen. 119 
dieses Gesetz Ausnahmen oder Beschränkungen vorgeschr ieben oder zuge- 
lassen sind“ (61 Abs. 1), so ist damit in umfassender, wenn auch freilich nicht 
schrankenloser Weise ein allgemeines Freiheitsrecht anerkannt!1), dessen Bedeutung 
eben wesentlich in der von staatlicher Einwirkung unbehinderten Befugniß zum 
Betriebe der nach der Gewerbeordnung als Gewerbe zu betrachtenden Erwerbsarten besteht. 
Daß unler den „Gewerbebegriff der Reichsgewerbeordnung“, einzelne 
Besonderheiten abgerechnet, sowohl die Gewerbe im engsten Sinne (Industrie-Gewerbe 
im Gegensatze zur Urproduktion) als die Handelsgewerbe und die gewerbsmäßige Leistung 
persönlicher Dienste (im Gegensatze zum Gesindedienst und zu höherer geistiger Erwerbs- 
thätigkeit) fallen, ergibt die Betrachtung der einzelnen Vorschriften der Gewerbeordnung ?. 
Indem aber die Gewerbeordnung das in dieser Art und diesem Umfange aner- 
kannte Prinzip der Gewerbefreiheit nach einzelnen Richtungen hier näher ausgeführt und 
bestimmt hat, (58 2—4, 11, 13 Abs. 1, 72, 143 und in Bezug auf den als die 
Regel zu betrachtenden sog. stehenden Gewerbebetrieb insbesondere 88 41, 42, 
44, Abs. 1, 45, 46), hat sie zugleich eine Reihe von Berechtigungen privat- 
rechtlichen Charakters, die durchweg als Beschränkungen der Gewerbe- 
freiheit erscheinen, insbesondere die zur Zeit ihrer Verkündigung noch bestehenden 
„ausschließlichen Gewerbeberechtigungen“ und zumeist auch die Zwangs- 
und Bannrechte, theils als aufgehoben, theils als ablös bar erklärt, soweit 
Beides nicht schon früher landesgesetzlich angeordnet war. Im Zusammenhange mit 
diesen Bestimmungen ist auch die Erwerbung von ausschließlichen Gewerbeberechtigungen 
oder Z vangs= und Bannrechten, welche durch Gesetz aufgehoben oder für ablösbar erklärt 
worden sind, für die Zukunft untersagt worden. Ist durch diese zuletzt erwähnten 
Bestimmungen (Gewerbeordnung §§ 7 —9, 10, Abs. 1) der Rechtszustand Bayerns, 
wo namentlich die Zwangs= und Bannrechte längst beseitigt sind, nicht berührt worden), 
so ist es für diesen um so wichtiger geworden, daß in Uebereinstimmung mit der 
bayerischen Gesetzgebung die zu Recht bestehenden „Realgewerbeberechtigungen“ 
aufrecht erhalten worden sind, wenn schon durch die Gewerbeordnung die Neubegrün- 
dung solcher (im Gegensatze zur Uebertragung schon bestehender), gleichfalls in Ueber- 
einstimmung mit dem bayerischen Recht, für die Zukunft ausdrücklich ausgeschlossen wurde 
(6§ 1, Abs. 2, 10 Abs. 2, 18). 
Daß unter den „Nealgewerbeberechtigungen“ von der Gewerbeordnung alle 
Gewerbeberechtigungen. dinglicher Art, also ebensowohl die radicirten wie 
die realen Gewerberechte des bayerischen Rechtes zu verstehen sind, kann keinem 
Zweifel unterliegen:!). — Ebenso ist es nach der Gewerbeordnung unzweiselhaft, daß da, wo 
zur Ausübung eines bestimmten Gewerbes gewisse personliche Eigenschaften erfordert werden, 
der Inhaber eines realen oder radicirten Gewerbes diese Eigenschaften nicht zu besitzen braucht, 
wenn er das Gewerbe durch einen gesetzlich befähigten Stellvertreter ausüben läßt. (§8 48, 45)5. 
1) Uebereinstimmend v. Sarwey, das öffentliche Recht S. 524, gen die, Degeidng 
der Entscheidung des bayer. Verwaltungsgerichtshofes v. 11. Mai 1880 (Samml. I. 293): 
„Indem die Reichsgewerbeordnung in § ! den Grundsatz an die Spitze stellt: „„der Betrieb eines 
Gewerbes u. s. w.““ konstituirt sie unzweifelhaft einen Rechtsanspruch jedes Reichsangehörigen.“ 
2) Vgl. namentlich Seydel, Gewerbepolizeirecht, in den Annalen des d. D. Reichs 1881 
S. 575 ff., dazu G. Meyer, Verwaltungsrecht I. S. 351 und Jul. Engelmann, die Deutsche 
Sewerrbemidnnnn in d. Fassung vom 1. Juli 1888 (S. 1170 aus der „Gesetzgebung des Deutschen 
Reiches mit HErlautern ungen“) Erlangen 1885 S. 48 fl. 
der zu Gunsten der Vortbaner 8 Abdeckereiberech tigung als Zwangs- 
und Vamnrecht in §87 Abs. 2 der Gewerbeordnung gemachte Vorbehalt ist für Bayern bedeutungslos. 
Das Gewerbe der Abdecker (Wasen meister) ist vielmehr in Bayern als ein freies, wenn 
schon in seinem Betriebe den polizeilichen Vorschriften (ugl. außer § 16 der Gewerbeordnung für 
Bayern Art. 70, 71 des Polizeistrasgesetzbuches) unterworfenes Gewerbe zu betrachten. Vgl. Krais, 
Handb. II. S. 119 ff. und Landmann, Gewerbeordnung S. 35. 
4) Vgl. Seydel, Gewerbepolizeirecht S. 588. 
5) Vgl. hierüber Wirschinger a. a. d S. 154, Seydel a. a. O. S. 595.
	        
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