Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.1. Das Staatsrecht des Königreichs Bayern. (1)

12 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. 8 2. 
Die Neugestaltung des bayerischen Staatsgebietes vollendete sich in Folge des Anschlusses von 
Bayern an die zum Kampfe gegen Napoleon alliierten Mächte. Durch den mit Oesterreich abgeschlossenen 
Vertrag von Ried vom 8. Oktober 1813, im Zusammenhange mit den beiden ferneren Verträgen 
mit Oesterreich vom 3. Juni 1814 und 14. April 18161) wurde einerseits die Abtretung der noch 
im bayerischen Staatsverbande befindlichen Theile von Tyrol und Oesterreich, von Vorarlberg und 
des größten Theiles von Salzburg an Oesterreich, für Bayern dagegen der Erwerb des Groß- 
herzogthums Würzburg, des Fürstenthums Aschaffenburg, eines großen Theiles der 
pfälzischen Gebiete links des Rheines, sammt einer Anzahl kleinerer ehemals fuldaischer 
und speyerischer, dann von Nassan, Hessen und Baden abgetretener Gebietstheile herbei- 
geführt. Die Wiener Kongreßakte vom 9. Juni 1815, Art. 44 und der Frankfurter 
l braütoriolereß vom 20. Juli 1819, Ark. 1—7 haben diese neuen bayerischen Erwerbungen 
estätigt. 
Das rechtsrheinische ehemals pfälzische Gebiet war freilich nicht wiedergewonnen, und der 
schon in den geheimen Artikeln des Rieder Vertrages zugesicherte ununterbrochene Zusam- 
menhang des bayerischen Staatsgebiets nicht erreicht worden. Die Theilung des Staatsgebiets in 
zwei ungleiche Massen, durch welche das rechtliche und staatliche Sonderleben des linksrheinischen 
Gebietes wesentlich gefördert wurde, blieb sortan bestehen, ebenso wie Oesterreich an Bayern noch 
fortwährend die sogenannte Kontiguitätsentschädigung von jährlich 100,000 Gulden leistet. 
Wichtiger noch als diese Gebietsveränderungen war der freilich mit ihnen in engstem 
Zusammenhang stehende Erwerb der Souveränetät für Bayern und seine Erhebung zum 
Königreich. 
Nachdem schon im Preßburger Frieden (Art. 7, 14) zugleich mit dem von dem Kurfürsten 
von Bayern anzunehmenden Königstitel, allerdings im Widerspruch mit der mehrmals versicherten 
Zugehörigkeit zum Reiche (als Confédération Germanigque bezeichnet) die Souveränetät desselben 
vom römischen und österreichischen Kaiser anerkannt war, wurde am 1. Jannar 1806 die Pro- 
klamation wegen Annahme des Königstitels (RN. B. S. 3 ff.) erlassen und am 1. August des- 
selben Jahres am Reichstage zu Regensburg die Urkunde übergeben, inhaltlich deren sich Bayern 
in Gemeinschaft mit den andern Rheinbundstaaten vom deutschen Reichsverband lossagte. Die an 
die Abdankung Kaiser Franz' II. (6. Aug. 1806) sich anschließende vollständige Auflösung 
des alten deutschen Reiches vollendete den Erwerb der Souveränetät für Bayern, die 
durch das Rheinbundsverhältniß rechtlich unberührt blieb und auch durch die unter Bayerns 
wesentlicher Mitwirkung rein völkerrechtlich gestaltete Bundesverfassung vom 8. Juni 1815 für 
die inneren Staatsverhältnisse keine wesentliche Beschränkung erfuhr. 
Die# inneren Staafsverhältnisse und die Konstitution von 1808. Dieser gänzlichen Ver- 
änderung der äußeren und der Gebietsverhältnisse Bayerns gieng dann zur Seite und war zum 
Theil schon vorausgegangen die Neu= und Umgestaltung der inneren Staatseinrichtungen, 
welche sich in ihrer Gesammtheit als das Eindringen der modernen Staatsideen in 
Bayern charakterisiert; zunächst allerdings, so lange Maximilian Joseph v. Montgelas?) (1809 
in den erblichen Grafenstand erhoben), unter dem Landesherrn die wesentliche Leitung der 
Staatsgeschäfte behielt, in wesentlich absolutisch-büreankratischem Sinne. Auch erhielt 
sich ein bestimmtes Maß altbayerischer Institutionen, die, in mannigfacher Fort- und 
Umbildung allerdings, für das bayerische Staatsleben charakteristisch blieben. 
Eine der eingreifendsten Veränderungen erfolgte sofort im Anfange der neuen Regierung: 
die Umwandlung des katholischen Bayern in einen paritätischen Staat?). Die 
Anerkennung der Gleichberechtigung der Angehörigen der christlichen Konfessionen wurde in Alt- 
bayern durch Verorduungen vom 10. Nov. 1800 und 26. Aug. 1801 ausgesprochen und durch das 
Edikt vom 10. Jan. 1803 auf die neuerworbenen Landestheile in Franken und Schwaben ausgedehnt"). 
War hiermit ein Anfang zur Herstellung der auch durch sonstige Maßregeln der Regierung 
geförderten Rechtsgleichheit der Staatsangehörigen gemacht, so hatte die Vereinigung so vieler 
1) Die beiden ersteren Vertrüge a. a. O. I. S. 217 ff., der dritte in Nouveau récueil de 
traités par Martens III. S. 
2) v. Pözl, Art. Wr im Staatswörterbuch von Bluntschli und Brater, VI. 
S. 771 ff. 
3) v. Sicherer a. a. O. S. 20 ff. Die V. O. vom 10. Nov. 1800 und 26. Aug. 1801 
sind gedruckt in Mayr's nnn der Churpfalzbayer, allgem. und besonderen Landes-Ver- 
urdnungen, unter Maxim. Jos. IV. Th. II. S. 259, 267. 
#s Edikt vom 10. Jan. 1803 die Religionsfreiheit in den churfürstl. —— 
Franten 8 Schwpten betr. im Churpfalzb. Regierungs= und Intelligenzbl. 1803. 5 ff.
	        
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