Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.1. Das Staatsrecht des Königreichs Bayern. (1)

176 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. & 11. 
Diese Bestimmung ist in offenbarer Anlehnung an den § 28 der Geschäftsordnung für 
den deulschen Reichstag gegeben, wo am Schlusse gesagt ist: „Ein Bescheid des Reichstages lauf 
die an ihn gerichteten Petitionen) muß jedenfalls erfolgen“1). 
Auch eine allgemeine Anerkennung eines den Staatsangehörigen zustehenden 
Beschwerderechtes enthält die bayerische V.-U. nicht. Ausdrücklich ist in derselben 
nur das Recht der Beschwerde wegen Verletzung der constitutionellen Rechte bei 
dem Landtage erwähnt (Tit. VII 8 21 Abs. 1), welches nach der nunmehr an die 
Stelle der einschlagenden Lestimmg der V.-U. getretenen Vorschrift in Abth. II 
Ziff. 2 des Gesetzes vom 19. Januar 1872, den Geschäftsgang des Landtags betr., 
(G.-B. 1872 S. 173 ff.) „iedem einzelnen Staatsangehörigen“, sowie jeder Ge- 
meinde zusteht 0. 
Abgesehen hievon und abgesehen von den Rechtsmitteln des Civil= und des 
Strafprozesses, dann von dem Recht der Beschwerde wegen Verzögerung und 
Verweigerung der Rechtspfleges), und von dem in mehrfacher Nichtung anerkannten 
und wirksamen Recht der Beschwerde in Sachen der freiwilligen Gerichtsbar- 
keit.), abgesehen ferner von den Rechtsmitteln des verwaltungsgerichtlichen 
Verfahrens ist ein Recht der Unterthanen gegen Handlungen oder Unterlassungen 
von Staats= oder Gemeindeorganen, durch welche Rechte oder Interessen ver- 
  
mung. welche Seydel. Vayer. Staatsrecht Bd. II S. 29 Anm. 2 als einen „schlagenden Beweis für 
das Nichtbestehen eines Petitionsrechtes" der Staatsangehörigen den Kammern gegenüber anführt, 
sachlich übereinstimmend ist auch die Fassung des § 79 der Geschäftsordnung der K. d. R. vom 
J. 1831 (Döllinger Bd. VII S. 145 ff.), wörtlich übereinstimmend § 76 der Geschäftsordnung 
dieser Kammer von 1851 (Verh. der K. d. R. 1851, Beil. Bd. 1 S. 221 ff.). Auch die Geschäfts- 
ordnung der K. d. A. von 1851 (Döllinger Bd. XXI S. 338 ff.) verlangte in Art. 53 Abs. 1 
die ausdrückliche Aneignung der von Staatsangehörigen außerhalb der Kammer ausgehenden 
Anträge durch einen Abgeordneten als Bedingung der geschöftsordnungemäßiihen Behandlung, 
während bie, sruberen Heschäftsordnungen dieser Kammer von 1825 (Verh. d. K. d. A. 1825, Beil. 
Bd. JI S. 187 ff.) 8 79 Abs. 2, und 1831 (Döllinger Bd. VII S. 347 ff.) Art. 54 Abs. 1 
alle Eisaln welche nicht Beschwerden über Verletzung constitutioneller Rechte enthielten, ohne 
Verweisung an einen Ausschuß sogleich zu den Akten zu legen befahlen. Daß gleichwohl auf dem 
Landtage von 1831 viele Eingaben verhandelt wurden, welche nicht als Beschwerden in jenem Sinne 
bezeichnet werden konnten, hebt Pözl im Staatswörterbuch Bd. VIII S. 70 Anm. 6 hervor. 
1) Auf die Frage, ob in Art. 23 der R.--V., soferne dieser dem Reichstage das Recht 
zuspricht tr ihn gerichtete Petitionen dem Bundesrathe resp. Reichskanzler zu überweisen, auch ein 
Recht d Reichgangehörigen, anerkannt sei, Petitionen an den Reichstag zu richten (für die 
8 ng u v. Riedel, die Reichsverfassungsurkunde S. 113, Seydel, Commentar zur 
V.-1 Tos rs- 1873 S. 151, v. Rönne, das Staaterecht des Deutschen Reichs 
l Bd Lctpz 1876 S. 185 ff., dagegen Laband, das Staatsrecht des Deutschen Reichs Bd. I 
55 ff., Anm. 4 und) nenerding Seydel, der deutsche Reichstag in Hirth's Annalen dez 
6 Reiche, Jah 1880 S 55 und Bayer. Staatsr. S. 253) ist hier nicht einzugehen. 
VII8 21 #obl 1 der V.-U. war, abgesehen von den Gemeinden, ieder einzelne 
Staate In er zur Erhebung dieser Beschwerde für berechtigt erklärt. Die im Texte erwähnte 
Gesetzesbestimmung soll die schon früher von der Praxis stets sestgehaltene Anschauung, daß es sich hier 
um ein Recht jedes Staatsangehörigen, nicht eines Staatsbürgers im engeren Sin 
des Wortes (oben S. 39. 46 ff.) handle, in zweifelloser Weise als zutreffend erklären. Ueber dit 
Beschwerde wegen Verletzung coustitutioneller Rechte, auf welche in anderem Zusammenhange noch 
zurückzukommen sein. wird, arzt Pözl, Verfassungsrecht S. 119 ff., 546 ff., Seydel, Bayer. 
Staatsrecht II S. 30 ff., 
3) Val. S#s 73 ins 74 des bayer. Ausf.-Ges. zum NR.-G.-V.-G. vom 23. Februar 1879 nut 
dazu den Clinmentar von Hauck zu diesen beiden Gesetzen, Nördl. 1879, S. 284 ff. (Recht d 
Beschwerdeführung gegen Gerichte, Gerichtsvorstände und Richter wegen Verzögerung der 
Rechtspflege bei dem Vorstande des unmittelbar vorgesetzten Gerichtes oder nach Umständer 
bei dem Instizministerium und, wenn sie Heen ein Mitglied eines Kollegialgerichtes gerichte- 
sind, auch bei dem Vorstande des Gerichtes) R.-V. Art. 77 und dazu Laband, das Staatsrecht d. D. 
Reiches Bd. 1 S. 154 ff., 267 ff., III, 2. 52 ff. und in diesem Handb. II 1. S. 43, ferner die Lehr. 
bücher des d. Staatsrechts von G. Meyer, 2. Aufl. 1886, S. 633 ff. und H. Schul d64 1 S. 27 ff. 
63 ff. (Recht der Beschwerde beim Bundesrathe wegen Justizverweigerun 4 
4) Hieher gehört z. B. die Bestimmung in § 94 des Hupochekengeseten vom l Juu 1822 
in der Fassung von Art. 1 Ziff. 3 des Ges. vom 29. Mai 1886 (G.= u. V.-B. S. 227). 
 
	        
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