8 10. Die Rechte der Unterthanen. 79
2. Die bürgerlichen, öffentlichen Rechte.
Die bürgerlichen öffentlichen Rechte, deren die Verfassungsurkunde im Gegen-
satze zu den bürgerlichen Privatrechten an mehreren Stellen gedenkt, sind mit den politischen
Rechten mindestens nicht völlig identisch. wie sich aus der allgemeinen Gegenüber-
stellung von bürgerlichen und politischen Rechten mit Sicherheit zu ergeben scheint. Der
Begriff der bürgerlichen öffentlichen und zugleich nicht politischen
Rechte deckt sich demnach wesentlich mit dem Begriffe der allgemeinen bürger-
lichen Rechte, wie er in der neueren staatsrechtlichen Litteratur öfter verwendet wird,
um aus der Staatsangehörigkeit unmittelbar für den Staatsgenossen gegenüber dem
Staate sich ergebende Rechte zu bezeichnen, unter denen dann wieder neben den sog.
Freiheitsrechten, (sofern man solche überhaupt anerkennt) eine Reihe von Rechten
aufgeführt wird, die sich insgesammt als Rechte auf Theilnahme an gewissen allge-
meinen Vortheilen der staatlichen Verbindung und der staatlichen Thätigkeit darstellen.
In dieser letzteren Rücksicht kommt die Bestimmung der V.-U. Tit. IV. 8 8 Abs. 1 in
Betracht: „Der Staat gewährt jedem Einwohner Sicherheit seiner Person, seines Eigenthums
und seiner Nechte“, insofern hier ein über den Umfang der gerichtlichen Hilfe hinausreichendes
Recht auf Gewährung von Schutz durch den Staat anerkannt ist?).
Zu den bürgerlichen öffentlichen Rechten im Sinne der bayerischen V.-U. sind auch zu
rechnen die Rechte auf Benützung öffentlicher Sachen und Anstalten, — Rechte von großen-
theils vermögensrechtlicher Bedeutung, welche aber auch als solche gleichwohl auf öffentlich recht-
licher Grundlage ruhen?).
Das aus der Staatsangehörigkeit sich ergebende Recht des Ausenkhaltes (Wohnrecht)
im Staatsgebiete, welches ebenfalls zu dieser Gruppe von Rechten gezählt wird 3), fällt seiner
praktischen Bedeutung nach wesentlich unter das Grundrecht der Freizügigkeit").
Die rechtliche Gleichstellung der nicht bayerischen Reichsangehörigen mit den
Bayern auch im Genusse der obenerwähnten bürgerlichen öffentlichen und zugleich nicht
politischen Rechte ist nach Art. 3 der Reichsverfassung und andern reichsgesetzlichen
Nangaig, Aix dß! p. 120, 122 jf., vgl. auch Zöpfl, Grundsähze des gem. deutschen Staatsrechts V
uf S ss.)
1) Das mit diesen Worten anerkannte Rechl fällt weder seinem Inhalte nach mit dem den ein-
zelnen Privatrechten durch das Civilrecht gewährten Rechts-Schutz zusammen, noch scheint es mir
an zu großer Unbestimmtheit zu leiden, soweit es sich namentlich um den vom Einzelstaate im
Auolande zu gewährenden Schutz handelt, der auch neben dem vom Reiche auf Grund von R.-V.
Art. 3 Abs. 6 zu gewährenden in Frage kommen kann. Der Anspruch des Staatsangehörigen
geht eben auf Anwendung pflichtmäßiger Sorgfalt seitens der zur Gewährung des Schußes beru-
kenen Organe des Staates, namentlich auch in Erwägung und Anwendung der zur Leistung dieses
Schutes zu Grbote siehenden verhältnißmäßigen ei ittel. Vgl. auch Laband,
Staatsrecht I. S. 150 ff. 157 ff. und in diesem Handb. II. 1. S. 31 ff. 33 ff. A. M. Seydel,
bayer. Staatsrecht I. 2 570 ff. Anm. 2.
2) Hierher gehören z. B. die allgemeinen Nubungsrechte an öffentlichen Flüssen und
Wegen (Wasserbenützungoges. vom 28. Mai 1852 Art. 2, 9; Streitigkeiten über die Eigenschaft
von Flüssen, Wegen mit Zugehörungen, Brücken oder Abzugskanälen als öffentlicher Sachen sind
erwaltu ehtsahen nach dem Ges. vom 8. Aug. *rii“s Art. 14, 34 vgl. hiezu den
Kn#entar von Krais S. 73 ff. 100 ff. und Pö#l, Wassergesetze, 2. Aufl. S. 26. Ueber die recht-
liche Eigenschaft von Seeen über und andern stehenden Gewässern haben nach ausdrücklicher Bestimmung
von Art. 7 des Wasserbenützungsges. die Gerichte zu entscheiden); serner das der Post= und Tele-
graphen verwaltung gegenüber' geltend zu machende Recht auf Abschluß gewisser Verträge,
aiseoe vom 28. Okt. 1871 § 3. bayer. Telegraphenordnung vom 21. Sept. 1880 (/G.= u.
570 ff.] §1 und dazu nS.e Staatsrecht II. S. 299. 300 ff. 314 und 4 diesen -
I. I S. 147 ff. und die Lehrbücher des deutschen Verneltngerrcht von G. Meyer I. S.
563 und Löning S. 606, 608, 614). Ueber die im Texte erwähnten Rechte im n
vgl. besonders v. Sarwey, das Mell Recht S. 499 ff. und in diesem Handb. I. u. S. 145 ff.
und außerdem v. Stengel a. a. O. S. 35; Roth, Civilrecht 1I. S. 28 ff. III. S. is ff.; vgl.
auch Seydel, Grundzüge einer allgem. Staatslehre Würzb. 1873 S. 41s ff.
3) G. Meyer, Lehrbuch d. d. Staatsrechts S. 562 ff.
4) Dies hebt mit Recht hervor Sarwey, das Shthatercht d. Kgr. Württemberg, B. 1.
Tüb. 1883 S. 178. Vgl. auch Laband, Staatsr. I. S. 151 ff. und Zorn, d. Staatsrecht d.
Deutschen Reichs I. S. 286 ff.