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darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden“. Von dem dieser
Bestimmung unmittelbar vorausgehende Verbot der Ausnahmegerichte („Ausnahme-
gerichte sind unstatthaft“) sollen aber nach dem gleichen Artikel des R.-G.-V.-G. „die
gesetzlichen Bestimmungen über Kriegsgerichte und Standrecht nicht berührt
werden.“
Dem Sutsprechend sind dann auch die Bestimmunge ' bbagerischen. Strafsgesetzbuches von
1813 (oben S. 26) über Standrecht (Theil t. VII ffl.) in forkdauernder Gel-
tung brten, chden sie oen durch das - krt * Slkasg'sehbchern von 1861
(G.-B 61/62 321 ff. oben S. 26) m 3 Ziff. 6 neben diesen und- mit Rücksicht auf die
(6 16 . 34 ##ben in Penrt. 3 im Militärwesen (oben S. 31) auch neben dem
Strafgesetzbuch für den norddeutschen Bund bei dessen Einführung in Bayern durch das Reichs-
gesetz vom 22. April 1871 § 7 Abs. 2 aufrecht erhalten worden waren (vergl. auch Art. 3
Ziff. 12 des Einf. Ges. zum Vollzuge des Reichsstrafgesetzbuches vom 26. Dezember 1871 G.-V.
1871/72 S. 81 ff.). Das Ausführungsgesetz zur R.-St.-P.-O. vom 18. August 1879 Art. 3
Ziff. 12 hat die forkdauernde Gelltung dieser Bestimmungen anerkannt und die Voraussetzungen,
unter denen nach denselben das Standrecht erklärt werden kann, mit dem gegenwärtig geltenden
materiellen Strafrecht ausdrücklich in Uebereinstimmung gebracht ?.
b) Sicherheit vor willkürlicher Verfolgung und Bestrafung. Das
in V.-U. Tit. IV. 8 8 Abs. 3 zunächst ausgesprochene Verbot, Jemanden anders als
in den durch die Gesetze bestimmten Fällen und in der gesetzlichen Form zu verfolgen,
soll wesentlich Sicherheit gewähren gegen die willkürliche Erhebung und formlose Durch-
führung eines Strafverfahrens und insoferne auch gegen eine willkürliche Be-
strafung. Spätere Landesgesetze haben diese grundsätzliche Bestimmung nach verschiedenen
Richtungen hin im Einzelnen näher ausgeführt.
Das sog. Grundlagengesetz vom 41. Juni 1818 (oben S. 24) hat in Art 17. verfügt:
„Niemand kann wegen Verbrechens oder Vergehens zu einer Strafe verurtheilt
werden außer vermöge eines nach vorgängiger Anklage ge fällten Erkenntnisses"?)
und hat auch weiterhin noch gewisse Grundzüge des Strafverfahrens festgestellt, von deren
Beobachtung die Rechtmäßigkeit eines solchen Straferlenntnisses abhängig sein soll. Demnach
kann kein Straferkenntniß anders gefällt werden, als nach einer vor den urtheilenden Richtern
abgehaltenen mündlichen Verhandlung (Art. 18), welche zugleich „bei Strafe der Nichtig-
keit“ öffentlich sein muß, falls nicht das Gericht von der Oessentlichkeit die Entstehung von
Aergerniß oder Verletzung des Schamgefühls befürchtet (Art. 19), während zugleich als ein
wesentlicher Bestandtheil des Strafverfahrens wegen Verbrechen und gesetzlich zu bestimmender
Vergehen der Ansspruch von Geschwornen über Schuld oder Nichtschuld des Angeklagten erklärt
wird (Art. 20)"). Im revidirten Edikt über die Freiheit der Presse und des Buchhandels (oben
1) Wie dies gegenüber dem Strafgesetzbuch von 1861 durch die im Texte angeführte Be-
stimmung des Einführungsges. zu jenen geschehen war. In der Pfalz hat das Strasgesetzbuch von
1813 nie Geltung gehabt. Die dort noch geltenden Bestimmungen des französischen. Rechts
über die Gerhöngung des Belagerungs (resp. Kriegs uslandes sind angeführt in Geib's Hand-
buch II. Aufl. B. I. S. 694 (ogl. dazu v. Hoh Dend orff Art. Belagerungszustand i in seinem Rechts-
lexikon III. Aufl. 1880 Bd. I. S. 261). Auch sie sind durch § 7 Abs. 2. des Reichsges. vom
22. April 1871 und Art. zi zn. 12 des bayer. Ausf.«Ges. zur r. St.-P.-O. aufrecht erhalten
worden (ugl. v. Bomhard u. Koller, die Strafprozeßordnung für d. d. Reich nebst d. bayer.
Auöf.-Ges. Nördl. 1879 S. 436). Der allgemeine Vorbehalt der sortdauernden Geltung der gesetz-
lichen Vorschriften über das Standrecht trifft weiter auch die Bestimmungen der Militärstraf-
ger t ren ung vom 29. April 1869 (mit theilweiser Abänderung durch das Ges. vom
27. Sept. 1872 oben S. 50 Anm. 3) über dasselbe in Art. 21 ff., 57 ff. 169 ff., welche innerhalb
des Wiwenbungsgebieteo, dieses Gesetzbuchs selbständige ncdemnank# behaupten.
2) Das Strafgesetzbuch von 1813 hatte bereits in Theil II. Art. 1 bestimmt: „Niemand kann
wegen Verbrechen oder Vergehen mit einer Strafe belegt beilIl. außer nach vorgängiger Unter-
suchung zund nach richterlichem Erkenntnisse auf rigenes Seständniß oder rechtliche Ueberweisung.“
Doch sollten nach Ges. vom. 12. Mai 1848 (G.-B. 33 ffl.), welches in Art. 2 die Ein-
*# der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit mit Ausschluß ns gesetlichen Beweistheorie bei
allen Verbrechens= und Vergehensfällen mit dem gleichen Vorbehalt des Ausschlusses der Oessent--
lichkeit, wie er im Grundlagengesetz sich findet, für die Landestheile diesseits des Rheines verheißt,
die in diesen Landestheilen einzuführenden Schwurgerichte einst weilen, d. h. bis zur Einführung
einer neuen allgemeinen Strafgesetzgebung nur über die mit Todes-, Ketten= oder Zuchthausstrafe
bedrohten Verbrechen und über die, durch den Mißbrauch der Presse verübten Verbrechen und Ver-
gehen zu urtheilen haben. (Art. 3
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