84 Vogel, das Staatsrecht des Königreichs Bayern. l11.
S. 23) vom gleichen Tage wird speziell zum Schutze der Preßfreiheit verfügt, daß keine Schrift
(oder sonstige Art und Form sinnlicher Darstellungen und Mittheilungen an das Publikum) ver-
solgt und Niemand einer solchen wegen zur Verantwortung gezogen werden darf außer in den
als Polizeiübertretungen, Vergehen oder Verbrechen gesetzlich mit Strafe be-
drohten Fällen. Anklagen wegen durch die Presse begangener Verbrechen und Vergehen
werden durch dieses Edilt den Schwurgerichten zugewiesen, welche über dieselben nach öffentlichem
und mündlichem Verfahren (vorbehaltlich der in den Gesetzen über das Strafverfahren zu be-
stimmenden Ausnahmen von der Oefeentlichseih zu erkennen haben sollen (§ 6), während die
Strafgerichtsbarkeit über die durch die Presse begangenen Polizeiübertretungen und die Ueber-
buetungen gesezlicher Vorschriften über Presse und Bchbondel ausdrücklich den Polizeibehörden
abgesprochen und den Gerichten #gewiesen wird (§ 7). Die Einfühung der Swourgerichte für
das diearbeinisch e Bayern erfolgte durch Gesetz vom 3. Angust (G.-B. 193 ff.), die
Durchführung des Grundsatzes der Oeffentlichkeit und Wiwnichrei. tn u5 efrenhese! wegen Ver-
brechen und Vergehen für die gleichen Landeslheile durch das Geseh vom 10. November 1848,
die Abänderungen des zweiten Ticil des Senseseoch von 1813 belr. (sog. Strafprozeß=
novelle G.-B. S. 233 ff. oben S.
Die Gesetzgebung des bebseb Wol (oben S. 26) hat die von 1848 in den angedeuleten
Richtungen ergänzt. Durch das Einsührungageiet zu den Strafgesetzbüchern wurde die Zustän-
digkeit der Shwurgerichte. für alle Verbrechen und für die Preß vergehen aner-
kannt 4ortn 1 Abs. 1), und für die Behandlung der nunmehr auch in den Landestheilen
diesseits des Rheines fast ausnahmslos gerichtlicher Aburtheilung überwiesenen Uebertre-
tungen (Einf.-Ges. Art. 31 Abs. 3, Gerichtsverfassungsges. Art. 16) die Grundsätze der
Oeffentlichkeit und Mündlichkeit zu allgemeiner Geltung gebracht (Einf.-Ges. Art. 66).
Den Grundsatz aber, daß eine Strafe nur auf Grund bestimmter Androhung in einer Rechts-
norm verhängt werden dürfe, hat für Bayern das Polizeistrafgesetzbuch vom 10. November 1861 zu
weiterer Anerkennung gebracht. Nach Art. 2 desselben können als Polizeiübertrekungen,
(welche damals als zumeist rechtsgefährdende Uebertretungen polizeilicher Vorschriften von
den als Rechtsverletzungen geringeren Grades strafbaren Uebertretungen strenge geschieden
wurdent), nur solche Handlungen oder Unterlassungen gestraft werden, welche zur Zeil der That
durch Gesetze oder durch eine nach Maßgabe derfelben giltige Verordnung oder polizeiliche Vor-
schrift unter Polizeistrafe verboten waren.
Die in diesen Landesgesetzen in allmählicher Entwickelung zu praktischer Geltung
gekommenen Grundsätze sind auch seit dem Eintritte Bayerns in das Reich im Wesent-
lichen nicht geändert worden, wenn sie auch nunmehr formell zum größten Theile auf
neueren Reichsgesetzen beruhen und in ihrer Ausprägung im Einzelnen Modifikationen
erfahren haben.
Der Grundsatz, daß eine Handlung nur mit einer vor ihrer hsen gesehlich bestimmten
Strafe belegt werden kann, ist nunmehr im Reichsstrafgesetzbuche (§ 2 Abs. I) allgemein ausge-
sprochen. Die Regelung des Strafverfahrens mit Durchführung der ennnn der Oeffentlichkeit
und Mündlichkeit ist jetzt der Hauptsache nach durch die Reichsjustiggesetzgebung des Jahres 1877
(R.-St.-P.-O. und R.-G.-V. G. § 170 ff.) erfolgt 7). Ebenfo ist die Zuständigkeit der Schwur-
gerichte zur Aburtheilung der meisten schwereren Verbrechen durch das R-G.-V.-G. (§ 80) be-
stimmt, während die Fortdauer der im bayerischen Rechte begründeten Zuständigleit derselben
für die durch die Presse begangenen Verbrechen und Vergehen durch § 6 des Einfüheungsgesetzs
zu mW. Gesetze vorbehalten?) und durch die Einrichtung der Schöffengerichte (R. G
§625 ff.) das Laienelement in der Uebung der Strafrechtopflege in besonderer Weise ort
wurde Auch ist es ein in der Reichsgesebgebung anerkannter Grundsatz. daß die Uebung der
Strasgerichtsbarkeit im Sinne definitiver Festsehzung einer öffentlichen Strafe grundsätzlich nur
den Gerichten zukommen kann!#).
1) Vgql. Edel, Lommentar Sum 5vligeistrafgesetb. von 1861 in Dollmann's Gesetzgebung
d. Kar. Bayern Th. III. Bd. 39.
2) Ueber die — E Sehn über die Oeffentlichleit als Grund des Rechts-
mittels der Revision. R.-St.-P.-O. 7 Ziff.
) Schon bei der Einführung * nsiaofgefehbuches in Bayern war die Zustä#digleit
der Strafgerichte neu geregelt worden, wobei den Schwurgerichten nicht alle im neuen Strafgesetz-
buche als solche anerkannten Verbrechen zugewiesen worden waren. eln vom 26. Dez. 1871, den
Vollzug der Einführung des Strafgesetzb. betr. G.-B. 1871/7 1 ff. Art. 56, dem Inhalte
nach etwas geändert durch das Ges. vom 25. Jan. 1874 G.-B. . ff. Art. 1.) Die dem bis-
herigen bayerischen Rechte wesentlich entsprechende Bestimmung E die Zuständigleit der Schwur-
gerichte ist enthalten im bayer. Ausführungsges. zum N.-G.-V.-G. Art 3
4) Vgl. R.-St.-P.-O. § 453 ff. (welche für Bayern nicht in Siktann kommen) § 459 ff. und
Reichspopgeß vom 28. Oktober 1871 § 34 ff.; dazu über die ausschließliche Zuständigkeit
der Gerichte zur Entscheidung über die durch die Presse begangenen Uebertretungen das