Full text: Vorgeschichte des Waffenstillstandes.

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von Gallwitz: Was den Kräftezuwachs des Gegners betrifft, so sei dieser schon 
in der letzten Jeit durch die Einwirkung der Kampfhandlungen aufgehoben worden. 
Die Kampfkraft der Franzosen sei erheblich zurückgegangen. Außerdem machten sich 
die Friedensströmungen sehr in den gegnerischen Ländern bemerkbar. Nur jetzt sei die 
Stimmung durch die Erfolge gehoben. Die englische Armee sei allerdings verhältnis- 
mäßig kräftig, aber ihre Leistungsfähigkeit habe auch nachgelassen. Wenn wir weiter 
die Defensive durchhielten und dem Gegner große Verluste beibrächten, so werde sein 
Kräftezuwachs wieder ausgeglichen werden, so daß eine Katastrophe bei uns nicht zu 
befürchten sei. Er glaube also nicht, daß sich das Kräfteverhältnis zu unsern Gunsten 
wesentlich verschieben würde. 
Durch den Sonderfrieden Österreichs werde Lage allerdings ganz verändert. 
Es wären zwei Möglichkeiten vorhanden, die eine, daß Osterreich zwar nicht mehr weiter- 
kämpfe, aber auch keine uns unfreundlichen Handlungen vornähme, insbesondere keine 
feindlichen Truppen durchließe, oder aber, daß Osterreich doch hierzu gezwungen würde. 
In letzterem Falle, der ähnlich wie in Bulgarien liege, würde die Entente die Ukraine 
und Rumänien für uns abschneiden. Die italienischen Kräfte würden auf jeden Fall 
an die Westfront gezogen werden. Dies sei sehr schlimm, weil unsere Vogesenfront 
schwach besetzt sei. Es könnte dies der Tropfen sein, der das Faß zum Uberlaufen 
brächte. 
Haußmann: Seien die Generale der Ansicht, daß wir die Verhandlungen ab- 
brechen und die Volkserhebung organisieren müßten, dann könnten wir jetzige Ver- 
handlungen mit Wilson nicht aufrechterhalten. Oder sollten wir erst abbrechen, wenn 
sie uns unwürdige Bedingungen auferlegen? 
von Gallwitz: Wenn wir Appell an das Volk richten, dann ist Abbruch der 
Verhandlungen mit Wilson notwendig, da es sonst als Farce erscheinen würde. Auch 
würden wir ja dann auf feindlichem Boden weiterkämpfen wollen, also das Räumungs- 
angebot zurückziehen müssen. Also erst Abbruch der jetzigen Verhandlungen und dann 
Appell an das Volk. Zunächst jedoch Antwort abwarten und dann Entscheidungen 
treffen. Jetzt müsse jedoch schon die O. H. L. ihre Maßnahmen treffen, damit, falls 
entwürdigende Anträge kommen, weiter gekämpft werden könne. 
Solf teilt die neuesten Vorgänge in Osterreich, insbesondere das Sonder- 
friedensangebot, mit, und verliest diese Note, wie sie im Ausland bereits veröffentlicht 
ist. Die Note bedeute den Separatfrieden und werde einer Kapitulation gleichkommen. 
Die Konsequenzen seien schwer. Rumänien würde uns nicht mehr Vorteile bieten. 
Unsere süddeutsche Front werde gefährdet. Die Italiener würden an die Westfront 
gehen und diese gefährden. 
von Gallwitz: Wir dürfen gleichwohl nicht die Flinte ins Korn werfen, es 
seien das vorläufig nur alles Vermutungen. Wir müßten erst sehen, wielange wir es 
noch aushielten; es kann nicht mehr schlechter werden. Vom Standpunkt der nationalen 
Ehre dürfe man nicht Schicht machen, solange die Armee noch in Widerstandskraft 
dastehe. 
Groeber stellt die Frage, ob wir, wenn uns entwürdigende Bedingungen 
gestellt würden, dann noch in der Lage sein würden, dauernden Widerstand zu leisten. 
Einige Zeit wohl sicher noch. Könnten wir vernürftigerweise sagen, es muß noch 
weitergekämpft werden, mit Hoffnung auf günstigere Bedingungen? Werden uns nicht 
noch ungünstigere gestellt werden, wenn wir jetzt abbrechen!? Wir stoßen Wilson zu 
rück, und England und Frankreich bekommen Oberwasser. « 
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