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Das Vorliegen eines Verstoßes gegen wesentliche Verfahrens—
vorschriften genügt aber noch nicht zur Begründung der Ungültigkeit
der Wahl. Es muß #ß#ß unter Würdigung sämtlicher Umstände
geprüft werden, ob der Verstoß auf das Ergebnis der Wahl von Ein-
fluß sein konnte, so daß der Wählerwille nicht einwandfrei zum Aus-
druck gekommen ist, und nur im Falle der Bejahung dieser Frage ist
die Wahl aufzuheben (Entsch des RV. v. 20. 12. 1913, AN. 1914
S. 488; Entsch. des Sächsischen Landesversicherungsamts v. 22. 5. 1914,
Grundsätzliche Entsch. dieses Amtes Bd. 1 S. 128). Ist die Möglich-
keit nicht von der Hand zu weisen, daß ohne den Verstoß auch nur ein
einer anderen Vorschlagsliste angehörender Vertreter hätte gewählt
werden können, so muß die Wahl aufgehoben werden.
Die Prüfung der Frage, ob durch einen Verstoß im Wahl-
verfahren das Wahlergebnis beeinflußt sein kann, ist
oft nur auf Grund schwieriger Berechnungen möglich. Ein einfaches
Beispiel sei hier angeführt: Sind 4 Wähler unberechtigterweise von der
Abstimmung zurückgewiesen worden, und sind zwei Vorschlagslisten (1
und II) zur Abstimmung zugelassen worden, so müssen die 4 Stimmen
zunächst der für Liste 1 ermittelten Stimmenzahl zugerechnet werden
und ist auf Grund dieser Unterstellung und auf Grund der der Liste II
tatsächlich zugefallenen Stimmenzahl das Wahlergebnis zu berechnen.
In einer zweiten Berechnung werden die 4 Stimmen in gleicher Weise
für die Liste II berücksichtigt. Weichen die beiden errechneten Ergeb-
nisse voneinander ab, so ist der Einfluß des bezeichneten Mangels des
Wahlverfahrens auf das Wahlergebnis dargetan. Andernfalls ist ein
solcher Einfluß zu verneinen (Entsch. des RV A. v. 28. 7. 1914, II K
882, und p. 13. 6. 1914, AN. 1914 S. 600).
2) Aufhebung der Wahl. Aus den Worten „ weder eine
nachträgliche Ergänzung möglich“ ergibt sich, daß bei einer Aufhebung
der Wahl nicht stets das gesamte Wahlverfahren, sondern nur der
fehlerhafte Teil wiederholt zu werden braucht. Auch die Bestimmung
im § 24 Abs. 3, daß „alsbald ein neues Wahlverfahren einzuleiten ist",
steht dem nicht entgegen. Der Verfasser nimmt an, daß eine nur teil-
weise Aufhebung, also z. B. eine Aufhebung der Feststellung des Wahl-
ergebnisses oder eine Aufhebung der mangelhaften Abstimmung unter
Aufrechterhaltung der einwandfrei zustande gekommenen Vorschlags-
listen einschließlich oder ausschließlich des Prüfungsverfahrens zulässig
ist. Für diese Auffassung spricht, daß auch in zahlreichen anderen Wahl-
ordnungen eine „Ergänzung“ des Verfahrens ausdrücklich für möglich
erklärt ist; demselben Standpunkt scheint auch das RVA. zuzuneigen,
das in einem Falle, in welchem es die Wahl wegen mangelhafter rü-
fung der eingegangenen Vorschlagslisten für ungültig erklärt hat, die
Wiederholung des gesamten Wahlverfahrens aus der Erwägung an-
geordnet hat, daß seit Aufstellung der Listen bereits ein erheblicher
geitraum verstrichen war (Entsch, des RA. v. 9. 5. 1914, AN. 1914
598). Eine solche erhebliche Zwischenzeit rechtfertigt die Aufhebung
des gesamten Wahlverfahrens meist deshalb, weil die Wählbarkeit und
die sonstigen persönlichen, von den Wählern bewerteten Eigenschaften
der Bewerber insbesondere bei umfangreichen Listen Veränderungen
unterworfen sind. Dies wird in erhöhtem Maße in den für den vater-