90 Die Organisation. Die Landstände. 8 26
2. Die erste von den einzelnen Kammern vorzunehmende Arbeit ist auf jedem 1)
Landtag die Prüfung der Legitimation der neu eingetretenen Mitglieder. In der
ersten Kammer besorgt die Vorprüfung eine aus den sechs ältesten Mitgliedern be-
stehende Kommission unter dem Vorsitz des Präsidenten, in der zweiten Kammer
wird die Vorprüfung in fünf provisorischen Abteilungen vorgenommen, in welche
die Mitglieder der Kammer durch das Los eingeteilt werden.
Ueber beanstandete Wahlen wird im Plenum erst entschieden, wenn die Zulas-
fung aller derjenigen Ständeglieder ausgesprochen ist, deren „Vollmachten regel-
mäßig und vollständig befunden“. Dasjenige Ständeglied, dessen Legitimation
Gegenstand der Beschlußfassung ist, hat während der Vornahme der Prüfung den
Saal zu verlassen. Nach der Gesch. O. der zweiten Kammer hat dasselbe jedoch, wenn
der betreffende Beschluß nicht sofort auf Ungültigkeit der Wahl geht, bis zum Austrag
der Sache Sitz und Stimme in der Kammer2).
An die Legitimationsprüfung schließt sich die definitive Bestellung der Bureaus
und die Bildung der Abteilungen bezw. Kommissionen an 3).
2. Die in der Gesch. O. für die Sitzungen vorgesehenen Bestimmungen sind
im wesentlichen die gleichen, die auch anderwärts gelten. Zur Aufrechterhaltung der
Ordnung besitzt der Präsident gegenüber den Mitgliedern das Recht des Ordnungs-
rufes. Bleibt dieser erfolglos, so kann der Präsident die Sitzung unterbrechen; auch
kann die Kammer „je nach Bedeutung des Vorfalles oder bei fortgesetzter Störung
der Ordnung den Eintrag einer Rüge in das Protokoll verfügen“. Weitere Dis-
ziplinarmittel stehen gegenüber den Ständegliedern nicht zur Verfügung“).
Die Hauptabstimmungen über Gesetzesvorschläge, Beschwerdeführungen und
Ministeranklagen haben namentlich zu geschehen. Der gleiche Modus ist auch
dann anzuwenden, wenn dies in der ersten Kammer von 5, in der zweiten Kammer
von 15 Mitgliedern verlangt wird. Im übrigen erfolgt die Abstimmung durch Auf-
stehen und Sitzenbleiben 5).
3. Darüber, welche der beiden zugelassenen Formen für die Beratung von
Gesetzentwürfen Anwendung finden soll, entscheidet die Kammer "). Sie kann ins-
besondere auch beschließen, daß zunächst nur über die grundsätzlichen Bestimmungen
eine Erörterung im Hause stattzufinden habe. Auch eine im Hause begonnene Spezial-
erörterung kann jederzeit abgebrochen und die Verweisung an eine Kommission verfügt
werden. Ebenso entscheidet die Kammer nach ihrem Ermessen über die Behandlung an-
derer Gegenstände. Abänderungsanträge zu einem Gegenstand der Tagesordnung müs-
sen schriftlich übergeben und mindestens von zwei Abgeordneten unterzeichnet sein.
1) Seit Einführung der Integralerneuerung haben die hier einschlagenden Vorschriften der
Gesch. Ordnungen nur für den ersten nach der allgemeinen Wahl zusammentretenden Landtag
volle Bedeutung.
2) I. K. 9I 2—6, II. K. §§5 2—9 a. Vgl. besonders II. K. §8 Abs. 1 (Fassung vom 29. Mai 1890).
Vordem galt auch für die II. K., was heute noch in der I. K. rechtens ist, daß ein Mitglied, dessen
Mandat beanstandet ist, solange nicht über die Gültigkeit seiner Legitimation entschieden worden,
den Sitzungen nicht beiwohnt (Gesch. O. I. K. 86).
3) I. K. J§ 7—9: II. K. §§ 10—14.
4) I. K. 3& 11—29 (bes. Is 19 u. 20), II. K. J§ 15—43 (bes. I§ 22—24).
5) I. K. § 34 u. ff.: II. K. § 38 u. ff.
6) I. K. § 46; II. K. § 49 u. ff. Alle Gesetzesentwürfe werden gedruckt unter die Mitglieder ver-
teilt und dürfen erst 3 Tage nach der Verteilung in Beratung genommen werden.