8 29 Die Organisation der Ministerien. 95
Landesherrn versammeln. Im Falle der Verhinderung des Monarchen sollten die Be-
schlüsse des Kollegiums dem Landesherrn durch den Staatssekretär zur Entscheidung
übermittelt werden. Da biernach für alle Staatsministerialentschließungen eine Mit-
wirkung des Großherzoges vorgeschrieben wurde, und da die Ansicht des Landesherrn
selbstverständlich die allein maßgebende sein mußte, so hatte das Staatsministerium
lediglich die Bedeutung eines die Krone in ihren Entschließungen beratenden
Kollegiums. Dasselbe war insbesondere nicht mehr, wie es vordem der Kabinettsrat
gewesen, eine den Ressortministerien vorgesetzte, zwischen diesem und dem Landesherrn
stehende besonderee Behörde, wenn ihm auch nach wie vor die s. Zeit dem Kabinettsrate
verliehene amtliche Bezeichnung der „höchsten Staatsbehörde“ gegeben wurde. Die
aus dem Staatsministerium kommenden Anweisungen an die einzelnen Ministerien
erhielten dementsprechend auch alle die äußere Form einer landesherrlichen Ent-
schließung 1).
An der im Jahre 1808 vorgenommenen Aufteilung der Staatsgeschäfte unter die
genannten fünf Einzelministerien wurde bei Einführung der Organisation des Jahres
1809 im großen und ganzen nichts geändert. Jedoch wurde die innere Einrichtung
der Ministerien der Justiz, des Inneren und der Finanzen weiter ausgebaut und für
ihre Entschließungen das Kollegialsystem eingeführt 2).
Durch den Erlaß der Verf.-Urk., welche das Staatsministerium als eine notwen-
dige Einrichtung anerkannte, erfuhr die vorhandene Organisation äußerlich keine
Umgestaltung 3). Wohl aber wurde die staatsrechtliche Stellung der „Minister und
Mitglieder der obersten Staatsbehörden“ dadurch tief beeinflußt, daß den Ständen das
Recht verliehen wurde, dieselben „wegen Verletzung der Verfassung oder anerkannter
verfassungsmäßiger Rechte förmlich anzuklagen“"). Zu einem vollständigen Ausbau
des Institutes der Ministeranklage kam es jedoch, nachdem ein unterm 5. Oktober 1820
erlassenes Gesetz 5) die Angelegenheit nur teilweise geordnet hatte, und nachdem die
bald darauf unternommenen Versuche einer erschöpfenden Regelung ergebnislos
geblieben waren, erst in den Jahren 1868 und 1869 .).
In den auf die Einführung der Verfassung folgenden Jahrzehnten hat die Orga-
nisation der Einzelministerien mannigfache Aenderungen durchgemacht. Das Kriegs-
ministerium und das Ministerium der Justiz waren als selbständige Abteilungen zeit-
weise ganz aufgehoben. Durch Ldh. VO. vom 19. April 1860 7) wurde ein besonderes
Handelsministerium errichtet, dem der volkswirtschaftliche Teil der inneren
Verwaltung und das bisher vom Ministerium des Auswärtigen verwaltete Post-,
1) Die durch die V O. vom 6. Aug. 1817 vorgeschriebene Formel lautet: „Auf Befehl Seiner
RNöniglichen Hoheit“ bei bloßen Belehrungen, Bekanntmachungen usw.: „Seine Königl. Hoheit
der Großherzog haben mit höchster Staatsministerialentschließung vom ... gnädigst geruhtt..
2) Einzelheiten siehe in der Beilage F des Organ. Ed.
3) Ueber die Fälle, in denen die Verf. Urk. das Staatsministerium oder einzelne seiner Mit-
glieder zur Tätigkeit ausdrücklich berufen, vgl. die §§ 14 Abs. 3; 67 Abs. 2; 75 Abs. 2; 55 u. 56.
4) & 67 Abs. 2.
5) Reg. Bl. S. 82.
6) Ueber die Vorgeschichte dieser Gesetze vgl. die oben angef. Abhandlung in der Festgabe für
Laband Bd. I S. 311 ff. und die dort erwähnten Materialien. Beiträge zum badischen Recht ent-
hält auch: H. von Frisch, Ueber die Verantwortlichkeit der Monarchen und höchsten Magistrate,
Berlin 1903; vgl. ferner Lud. Frank, Das Recht der Ministerverantwortlichkeit in Baden. Soz.
Monatshefte V. Nr. 3.
7) Reg. Bl. S. 139.