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9 Die Organisation der Ministerien. 97
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Staatsrates, die im Jahre 1849 erfolgte Zuweisung der Kompetenzstreitigkeiten an
das durch Zuzug von Richtern verstärkte Kollegium 1), welche bis zum 1. Oktober 1879 in
Geltung blieb, sowie die vom Jahre 1874 bis zum Jahre 1888 dauernde Berufung
der Mitglieder des Staatsministeriums in den Gerichtshof für kirchliche Angelegen-
heiten 2). Alle hierdurch bewirkten Eingriffe in die Zuständigkeit des Staatsministe-
riums sowie alle damit verbundenen Verschiebungen seiner ursprünglichen Stellung
sind jedoch ohne nachhaltige Wirkung geblieben, so daß die oberste Staatsbehörde heute
noch die gleiche Eigenschaft besitzt, die ihr seiner Zeit durch die Ldh. V O. vom 15. Juli
1817 verliehen worden war.
B. Der heutige Rechtszustand. l1. Nach der Ldh. VO. vom 7. März
1893 bestehen zur Zeit in Baden vier Ministerien:
a) Das Ministerium des Großherzoglichen Hauses und
der auswärtigen Angelegenheiten. Dasselbe verwaltet:
a) alle den Staat berührenden persönlichen Angelegenheiten des Großherzogs
und des Großherzoglichen Hauses. Es wirkt mit bei der Bestimmung der Zivilliste,
der Hofausstattung, beim Erlaß der Hausgesetze und der Regelung der öffentlich-recht-
lichen Bezüge der Hausmitglieder 3). Auf Grund der hausgesetzlichen Vorschrift vom
23. Aug. 1823 versieht es für den Großherzog und die Mitglieder des Großherz. Hauses
die Stelle des Notariates und besorgt mit Ausnahme der dem Großherzoge persönlich
zukommenden vormundschaftlichen Befugnisse die Geschäfte der freiwilligen Gerichts-
barkeit /).
Sein Vorsteher ist der Standesbeamte des Großh. Hauses. Es hat endlich mitzuwir-
ken bei Ordens= und Adelsangelegenheiten; der Verwalter dieses Ministeriums fun-
giert als Ordenskanzler 5).
63) Zu seinem Wirkungskreise gehören die Beziehungen Badens zum Reich,
zu den anderen deutschen Staaten und zum Ausland sowie die Ueberwachung der
Landesgrenzen. Ihm unterstehen die Großherzoglichen Gesandten und Konsuln.
Er vermittelt den amtlichen Verkehr mit der Reichsregierung, den Regierungen ande-
rer Staaten und besorgt insbesondere im Benehmen mit dem jeweils sachlich be-
teiligten Ministerium die Vorbereitung und den Abschluß von Staatsverträgen. Ihm
obliegt die Besorgung und Vertretung der Angelegenheiten badischer Staatsangehöriger
außerhalb des Landes sowie die Beglaubigung der im Auslande zu verwendenden Ur-
kunden und die Legalisierung ausländischer Urkunden für den Gebrauch im Inlande 9).
als beratendes Kollegium in wichtigeren Angelegenheiten noch eine „zweite Sektion“ hinzukommen.
Diese Einrichtung wurde bereits im Jahre 1826 wieder beseitigt. Die VO. v. 23. Dez. 1844, die
von den Kammern beanstandet und, nachdem eine versuchte gesetzliche Regelung nicht zum Abschluß
kam, im Jahre 1849 wieder aufgehoben wurde, hatte neben dem St. Min. einen selbständigen, mit
weiten Befugnissen ausgestatteten Staatsrat vorgesehen.
1) Ldh. VO. v. 20. Oktob. 1849 (Reg. Bl. S. 543).
2) Ges. v. 19. Febr. 1874 (G.u. VO Bl. S. 93) u. vom 5. Juli 1888 (G.u. VL Bl. S. 327).
3) Org. Ed. v. 26. Nov. 1809 Beil. F. VI F 37.
4) Reg. Bl. S. 133. Die Zuweisung der Notariatsgeschäfte enthält keine zwingende Rechts-
vorschrift. Die Tätigkeit der freiw. Gerichtsbarkeit erstreckt sich vor allem auch auf die Verlassen-
schaftsverhandlungen und die Offenkundigmachung der Stammgutseigenschaft der zum Großh.
Hausfideikommiß gehörenden Grundstücke (Dorner, R Pol.G. S. 322 u. ff.).
5) VO. v. 27. Juli 1885 u. Bektm. des St. Minist. v. 25. März 1893 (G.u. VOl. S. 39).
6) Bekanntmachg. v. 4. April 1893 G.u. VO Bl. Nr. 10 S. 41. RPO. v. 23. Nov. 1899 &X. 17
Abs. 5 u. 6; § 47.
Walz, Baden. 7