8 30 Das Staatsministerium. 101
Die Zuständigkeit des Staatsministeriums erstreckt sich auf alle Gebiete des
Staatslebens. Den Ausgangspunkt für ihre nähere Bestimmung bilden heute noch
die durch die Loh. VO. v. 15. Juli 1817 reaktivierten Vorschriften des Organ. Ed. vom
26. November 1809. Dazu kommen eine Reihe, teils in der Verf.-Urk., teils in Spezial-
gesetzen, teils in Verordnungen enthaltenen Kompetenzzuweisungen 1). In der Pra-
ris ist man dazu übergegangen, daß man eine Mitwirkung des Staatsministeriums
ganz allgemein für erforderlich erachtet und demgemäß auch eintreten läßt, überall,
wo der Landesherr eine auf die Regierung des Landes bezügliche Handlung vornimmt.
Besondere Vorschriften darüber, wie das Staatsministerium seine Mitwirkung
im Einzelfalle zu betätigen habe, bestehen nicht. Nimmt der Landesherr an den Sit-
zungen teil, so beschränkt sich die Tätigkeit der Einzelmitglieder auf Abgabe ihrer
Meinungsäußerungen. Bei Tagungen in Abwesenheit des Monarchen kann der stell-
vertretende Vorsitzende zwar eine Abstimmung und eine formelle Beschlußfassung her-
beiführen. Aber auch dieser Beschluß hat immer nur die Bedeutung eines Gutachtens.
Eine für die übrigen Verwaltungsorgane verpflichtende Wirkung kann er nur erlangen,
wenn die Genehmigung des Landesherrn hinzukommt; diese tritt aber dann auch allein
in den Vordergrund, und die Entscheidung ergeht darnach zwar: „aus Großherzoglichem
Staatsministerium“ aber als Entschließung des Landesherrn, die gegengezeichnet wird
allein von dem zuständigen Ressortminister, während die der landesherrlichen Entschlies-
sung zu grunde liegende Urkunde, die dem Staatsministerium mitgeteilt worden
war, von allen zustimmenden Mitgliedern des Kollegiums zu unterzeichnen ist 2).
Das geschilderte Verfahren greift auch da Platz, wo durch Gesetze ausdrücklich eine
„Entscheidung“ des Staatsministeriums verlangt wird 3), ebenso in den Fällen, in
denen das Staatsministerium als Rekursinstanz über einem Ministerium tätig gewor-
den ist 1); die Stelle, von der die verlangte Entscheidung ausgeht und von welcher
der eingelegte Rekurs verbeschieden wird, ist immer der Landesherr. Das Staats-
ministerium ohne den Monarchen ist nur ein Ratskollegium, das unter der formellen
Leitung eines seiner Mitglieder stehend, wenn es auch den Namen der „obersten
Staatsbehörde“ führt, den Ressortministern gegenüber keineswegs die Stellung eines
vorgesetzten Organs einnimmt, das diese Ministerien mit bindenden Weisungen ver-
sehen könnte 5).
1) Vgl. außer der Beilage F des Org.Ed. u. der Verf. Urk. besonders die Gesetze über d. Ober-
rechnungskammer, den Kompetenzgerichtshof, die Feldbereinigung, die gemeinen Schafweiden,
Ortsstraßengesetz, Wassergesetz, Amortisations= und Eisenb. Schuldentilg. Kassen-Gesetz, Eisenbahn-
genehmigungsgesetz, Handelskammergesetz, Landwirtschaftskammergesetz, Orts= u. Landeskirchen-
steuer-Gesetz, AG. zum BG#B., Beamtengesetz. V O. über Erteilung der Körperschaftsrechte, VV O.
zum Stiftungsgesetz, V O. über das Verfahren in Verwaltungssachen.
2) & 67## Verf. Urk.
3) Wie z. B. in Verf. Urk. § 14 Abs. 4 u. Enteign. Ges. F 1.
4) Verf. Ordg. § 36 Ziff. 1 u. 2.
5) Das bad. Recht kennt insbesondere auch keine im Range über den Ministerialverordnungen
stehenden Staatsministerialverordnungen. Das St M. als Kollegium erläßt bloß Bekanntmachun-
gen formaler Art, so im besond. Allerhöchsten Auftrag zum Vollzug der landesherrlich angeordneten
Organisationsänderungen, oder um eine zwischen den Ministerien getroffene Vereinbarung zur
allgem. Kenntnis zu bringen (z. B. die sogen. V O. des St. M. v. 7. Aug. 1890, G. u. VO Bl. S. 517
bez. der Ausübung der Dienstpolizei über die verschiedenen Ministerien unterstellten Beamten).
Soweit wirkliche vom St M. allein ausgehende Verordnungen vorkommen, handelt es sich um
Fälle, in denen das St M. zugleich auch als Ressortministerium, d. h. der Staatsminister als
Departementsminister tätig war (bes. in den Jahren 1881—1893).