Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

8 33 Die Oberrechnungskammer. 107 
  
eventuell dem Staatsministerium Anzeige zu erstatten. 
Die Zuständigkeit dieser Oberrechnungskammer erfuhr in der Folge durch die 
Ldh. VO. vom 11. Oktober 18321) eine Erweiterung, indem man ihr auch die Aufgabe 
zuwies, die den Ständen vorzulegenden Nachweisungen über die Verwendung der 
öffentlicher Gelder zu prüfen und deren Uebereinstimmung mit den gestellten 
Rechnungen zu bestätigen. 
Mit Rücksicht auf diese letztere Aufgabe erklärten es die Stände wiederholt, so 
gegen Ende der 40er und Anfangs der 50er Jahre des verflossenen Jahrhunderts, für 
wünschenswert, die Rechtsverhältnisse der Oberrechnungskammer durch ein Gesetz 
festzulegen, in welchem der letzteren vor allem eine selbständigere Stellung gegenüber 
der Staatsregierung einzuräumen sei. 
Das Vorgehen anderer deutscher Staaten und die Erkenntnis der Notwendigkeit 
einer Reform des gesamten Budgetrechtes bestimmte dann die Regierung, in der Mitte 
der 70er Jahre einen Entwurf vorzulegen, der in tunlichster Anlehnung an das Preuß. 
Ges. v. 27. März 1872 die Kompetenz der Oberrechnungskammer nicht mehr auf die 
rein kalkulatorische Prüfung der Rechnungen beschränken, sondern ihr auch die Befug- 
nis verleihen wollte, den Landtag auf materielle Abweichungen von gesetzlichen Be- 
stimmungen oder besonderen von ihm gefaßten Beschlüssen aufmerksam zu machen 2). 
Dieser Entwurf fand nach Aufnahme einiger, die Rechte der Stände verstärken- 
der Zusätze die Billigung der gesetzgebenden Faktoren und wurde unterm 25. Aug. 
1876 als „Verfassungsgesetz“ publiziert 3). Kleine Aenderungen dieses Gesetzes brach- 
ten in der Folge das Ges. v. 26. Januar 1884 und das Beamten Ges. v. 24. Juli 1888 4). 
II. Heutiger Rechtszustand. 
Die Oberrechnungskammer hat die Aufgabe, die Kontrolle des gesamten Staats- 
haushaltes durch Prüfung und Feststellung der Rechnungen über Einnahmen und 
Ausgaben von Staatsgeldern, über Zugang und Abgang von Staatseigentum und, 
soweit dies nicht durch besondere Gesetze dem landständischen Ausschuß übertragen ist, 
über die Verwaltung der Staatsschulden zu führen 5). 
Sie besteht aus einem Präsidenten und der erforderlichen Anzahl von Kollegial= 
räten sowie dem nötigen Revisions= und Kanzleipersonal "1). Ihre Verfassung ist eine 
kollegialische. Sie faßt ihre Beschlüsse auf Grund eines auf ihren Vorschlag im Ver- 
ordnungswege erlassenen Regulativs nach Stimmenmehrheit der Mitglieder einschließ- 
lich des Vorsitzenden, welcher bei gleicher Teilung der Stimmen den Ausschlag gibt 7). 
Die Unabhängigkeit der Oberrechnungskammer bei der Fällung ihrer Entschei- 
dungen ist der Staatsverwaltung gegenüber dadurch gewahrt, daß die Oberrechnungs- 
1) Reg. Bl. S. 450. 
2) Vgl. die Reg. Begründung in den Prot. II. K. 1875/76 II. Beil. Heft S. 92. 
3) Ges. u. VOl. S. 289. 
4) Ges. u. VOBl. 1884 S. 10. Beamt. Ges. + 134 Ziff. 7. 
5) Art. 1 des Ges. 
6) Art. 2 ff. des Ges. Der erstere wird vom Großherzog angestellt auf Antrag des Staats- 
ministeriums:; bezüglich der Mitglieder hat der Präsident das Vorschlagsrecht ebenso bez. der son- 
stigen landesherrlich anzustellenden Beamten der Oberrechnungskammer. Das übrige Personal 
wird vom Präsidenten angestellt. 
7) Art. 6 u. 7 des Ges.
	        
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