108 Die Organisation. Die Behörden. 8 34
kammer von der Einreihung in die Ministerialorganisation eximiert und wie die Mini—
sterien selbst dem Landesherrn direkt unterstellt ist. Außerdem genießen ihre Mitglieder
und Beamte, was ihre dienstliche Stellung angeht, die gleichen Vorzüge wie die Mit-
glieder des Verwaltungsgerichtshofes mit der Maßgabe, daß Ordnungsstrafen gegen
sie nur vom Staatsministerium ausgesprochen werden können, dem auch sonst im Dis-
ziplinarverfahren die Befugnisse des „zuständigen Ministeriums“ zukommen ).
Da die Oberrechnungskammer aber nicht nur für die eigentliche Staatsverwal-
tung, sondern zugleich auch zur Unterstützung der Stände in deren Kontrolle des Staats-
haushaltes tätig zu sein hat, so ist zur wirksamen Geltendmachung dieser zweiten Seite
ihrer Aufgabe den Ständen die Befugnis verliehen, gegen die Mitglieder der Ober-
rechnungskammer von sich aus die Einleitung eines Disziplinarverfahrens zu beantra-
gen und dessen Durchführung eventuell auch gegen den Willen der Mitglieder des
Staatsministeriums zu erzwingen 2).
Ueber die nicht zu den Mitgliedern gehörenden Beamten der Oberrechnungs-
kammer übt der Präsident der letzteren die sonst den Ministerien zustehende Diszipli-
narbefugnisse aus 3). Die nähere Darstellung der Funktionen der Oberrechnungskam-
mer muß dem Abschnitt über die staatliche Finanzverwaltung vorbehalten bleiben.
III. Die Justizbehörden.
# 34. Die Organe der streitigen Gerichtsbarkeit. Vor der Einführung der
Reichsjustizgesetze galt in Baden, nachdem der Grundsatz der Trennung der Rechts-
pflege von der Verwaltung bereits seit dem Jahre 1857 auch in der untersten Instanz
zur Anwendung gelangt war, eine Gerichtsorganisation, die mit derjenigen, welche
am 1. Oktober 1879 in Deutschland in Kraft trat, in wesentlichen Punkten über-
einstimmte 1). Darnach bestanden als Gerichte erster Instanz: die durch einen
Einzelrichter vertretenen Amtsgerichte; zuständig in bürgerl. Rechtssachen bis zum
Wertbetrag von 200 fl., sowie, unter Zuzug von Schöffen, in gewissen Strafsachen
mit Strafgewalt bis zu 8 Wochen Gefängnis und 300 fl. Geldstrafe; ferner die Kreis-
gerichte (kollegial organisiert), die in allen übrigen Zivilsachen sowie in der Mehrzahl der
Strafsachen zuständig waren, hier als Strafkammern auftretend, unterstützt von den
Rats= und Anklagekammern, zugleich in der Form von Rekurskammern als Ober-
instanz in Strafsachen dienend.
Die Berufungsinstanz in bürgerlichen Rechtssachen gegen Urteile der Amts= und
Kreisgerichte bildeten die bei den größeren Kreisgerichten (den Kreis= und Hofgerichten)
1) Beamt. Ges. § 119.
2) Art. 19 des Ges. Zur Stellung des Antrages genügt, falls die beiden Kammern sich nicht
verständigen sollten, eine im Weg der Durchzählung festgestellte Majorität (§ 61 Verf. Urk.). Unter-
bleibt die Einleitung des Disziplinarverfahrens, so kann ev. gegen die Mitglieder des Staatsmini-
steriums die Ministeranklage erhoben werden, welche den Antrag auf Einleitung des Diszipl. Ver-
fahrens mit enthält. Geht die Anklage gegen sämtliche Mitglieder des Staatsministeriums, so teilt
der Präsident der zweiten Kammer den Antrag auf Einleitung des Disziplinarverfahrens gegen
die beteiligten Mitglieder der Oberrechnungskammer dem Präsidenten des Disziplinarhofes mit,
welcher einen Staatsanwalt mit der Durchführung der Disziplinaranklage beauftragt.
3) +§ 132 Ziff. 4 Beamt. Ges.
4) Vgl. über die frühere Zeit die bezügl. Bemerkungen in der historischen Einleitung, und vor
allem die Staatsminist. Entschl. v. 30. März 1852 sowie die Ldh. VO. v. 18. Juli 1857. Reg. Bl.
S. 318.