§ 35 Die Organe der freiwilligen Gerichtsbarkeit. 113
aufsicht über die Kaufmannsgerichte führen die Landgerichte 1).
6 35. Die Organe der freiwilligen Gerichtsbarkeit. 1. Die erste umfassende
Regelung der Zuständigkeit und des Verfahrens in Sachen der freiwill. Gerichtsbarkeit,
in Baden Rechtspolizei genannt, erfolgte, nachdem die lückenhaften Vorschriften des
Landrechtes durch einige Spezialgesetze eine wenigstens teilweise Ergänzung gefunden
hatten, durch das Rechtspolizeigesetz vom 28. Mai 1864, an dessen Stelle dann das
Ges. vom 6. Februar 1879 (mit Novelle v. 20. Juli 1888) getreten; dazu war eine
Reihe von Ausführungsvorschriften ergangen 2). Als Organe der freiw. Gerichtsbarkeit
hatten darnach neben den Amtsgerichten (ev. unter Mitwirkung der Staatsanwaltschaft)
vor allem die Notare sowie die Gemeinderäte und die in den einzelnen Gemeinden
bestellten Waisenrichter zu fungieren 5).
Nicht einbezogen in diese Regelung war die Führung der Grundbücher (Grund-
und Pfandbücher), welche seit Bestehen des Großherzogtums in den Händen des
Gemeinderates, bezw. in den Städten in der Hand eines Gemeindebeamten geblie-
ben oder gelegt war ).
Seit dem 1. Januar 1900 beruht nicht nur die Grundlage für die Tätigkeit der
Organe der freiw. Gerichtsbarkeit im Reichsrecht, sondern das letztere hat auch die
Zuständigkeit und das Verfahren der Behörden bei Erledigung der einschlagenden
Angelegenheiten in weitem Umfange geregelt 5).
Für die Landesgesetzgebung kommen, was die Organisation der Behörden angeht,
nur noch diejenigen Fälle in Betracht, die ihr das Reichsrecht ausdrücklich zuweist,
sowie diejenigen, welche unter das vorbehaltene Gebiet der Art. 55—218 des E.z.
BB. gehören. Die hiernach möglichen landesgesetzlichen Einrichtungen wurden
durch das Rechtspolizeigesetz v. 27. Juni 1899 geschaffen, sowie durch das Ausf. G.
zur Grund BO. v. 19. Juni 1899 7).
2. Der heutige inzwischen durch Nachtragsgesetze?) weitergebildete Rechtszustand
ist, soweit er auf Landesrecht beruht, folgender:
In Vormundschaftssachen sind die Amtsgerichte als Vormundschafts-
gerichte beibehalten. Der zu ihrer Unterstützung reichsrechtlich vorgesehene Gemeinde-
waisenrat ist als Gemeindeamt ausgestaltet.
Zur Aufsichtsführung über die standesamtliche Tätigkeit sowie für die
1) Ldh. VO. v. 13. Aug. 1904 (G.u. VO Bl. S. 401), vgl. ferner V O. v. 30. Nov. 1905 (G.u. V.=
l. S. 527) über die Statistik der kaufmänn. Streitigkeiten; Ges. v. 22. Juni 1906 (G.u. VOl.
123).
2) Näheres über die frühere Zeit bei C. Reutti, Die freiw. Grbk. u. das Notariat in Baden,
Karlsruhe 1891, 2. Aufl. Für dic gegenwärtigen Verhältnisse grundlegend der vortreffliche Kom-
mentar zur bad. R Pol. Gesetzgebung v. Dorner, Karlsruhe 1902.
3) Vgl. Ges. v. 6. Febr. 1879 & I1 ff., § 26 ff., sowic die V O. v. 2. Nov. 1889, die Waisen-
richterordnung v. 30. Oktob. 1889; VO. v. 12. Nov. 1889.
4) Vgl. II. Konst. Ed. v. 14. Juli 1807 § 2, Organ. Ed. v. 26. Nov. 1809 Beil. B 5+117, Gde. Ordg.
(frühere Fassung) § 53 Abs. 2. Ges. v. 24. Juni 1874 (G.u. VO l. S. 349).
5) RGes. v. 17. Mai 1898 betr. die Angelegenheiten der freiw. Gerichtsbarkeit nach der Be-
kanntm. des Reichskanzlers (RG. Bl. S. 189—229;: 771—809).
6) G.u. VOl. 1899 S. 249—266 u. 273—282. Die dazu unterm 23. Nov. 1899 im Ver-
ordnungswege erlassene Rechtspolizeiordnung (G.u. VOBl S. 665) hat seitdem eine e große Reihe
von Veränderungen erfahren und ist mit Bekanntm. v. 1. März 1907 (G. u. VO!Bl. S. 171 u. ff.)
in neuer Fassung verösfentlicht worden; abermals abg. V O. v. 17. Sept. 1908 S. 517.
7) Val. Ges. v. 18. Juli 1902 (G. u. VOBl. S. 179); v. 13. Juli 1904 (S. 205) u. v. 11. Sept.
1908 S. 507).
Walz, Baden. 8
Gir