Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

8 40 Die Verwaltungsgerichte. 127 
  
und letzter Instanz über gewisse beamtenrechtliche Fragen, über Staatssteuer- 
schuldigkeiten, über das Staatsbürgerrecht und über die Kostentragungspflicht bei 
polizeilichen Anordnungen nach 8 30 PStGB. erkennen. Die weitere Aus— 
dehnung der Kompetenz durch Verordnungsbestimmung war vorbehalten. 
Das im Wege der Vollz. Verordnung zum Verw. Ges. für diese bestimm- 
ten Streitigkeiten neu eingeführte besondere Verfahren unterschied sich vom all- 
gemeinen Verwaltungsverfahren vor allem dadurch, daß den dabei beteiligten 
Personen die Stellung einer Partei eingeräumt war, deren Willen, wie im Zi- 
vilprozeß, den Gegenstand und den Umfang des Streites bestimmte, und daß 
die erlassene Entscheidung die Fähigkeit besaß, materielle Rechtskraft zu er- 
langen 1). Dabei wurde als selbstverständlich vorausgesetzt, daß die zur Handhabung 
dieses besonderen, im Gesetze selbst als Rechtspflege bezeichneten, Verfahrens 
berufenen Organe die gleiche Unabhängigkeit genießen sollten, wie die ordent- 
lichen Gerichter). Eine ausdrückliche gesetzliche Festlegung der Rechtsstellung der 
Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes erfolgte aber erst durch das Gesetz v. 
24. Februar 1880, das zugleich auch die Zusammensetzung des Gerichtshofes 
näher regelte unter weiterer Ausdehnung seiner Kompetenz ?). 
Eine durchgreifende Umgestaltung erfuhr die Verwaltungsrechtspflege in 
Baden durch das Gesetz vom 14. Juni 1884, die Verwaltungsrechtspflege betr. ), 
welches nicht nur die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte ganz erheblich er- 
weiterte, sondern in starker Anlehnung an das inzwischen erstandene preußische 
Vorbild auch das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten in einer dem Zivil- 
prozeß noch näher kommenden Form gesetzlich festlegte 5). 
Das neue Gesetz eröffnete nach dem preußischen Muster den Verwaltungs- 
rechtsweg vor allem auch zur Sicherung des individuellen Freiheitskreises des 
Einzelnen gegenüber der Staatsgewalt (Schutz gegen polizeiliche Verfügungen und 
gegen Eingriffe in das Selbstverwaltungsrecht). 
Mehr formelle Aenderungen brachte, nachdem inzwischen die Zuständigkeit 
der Verwaltungsgerichte durch eine Reihe von Spezialgesetzen erweitert worden, 
das mit Rücksicht auf das Inkrafttreten des BGB. unterm 30. Mai 1899 er- 
lassene Gesetz, das zugleich die Ermächtigung gab, das alte Gesetz vom Jahre 
1884 mit allen seinen Nachträgen in neuer Fassung zu veröffentlichen. Eine 
solche Publikation erfolgte dann durch Bekanntmachung vom 16. November 1899. 
Seidem sind an dem Gesetze aber wieder eine Reihe von Aenderungen vorge- 
nommen worden ?). 
1) Bgl. Ldh. V O. v. 12. Juli 1864 Reg. Bl. S. 333, insbes. die §§ 29, 48, 93 Abs. 1. Siehe 
auch d. Urt. des VG. v. 14. März 1871. Wielandt, Rechtspr. Bd. 1 S. 92f. 
2) Vgl. die Nachweise bei Weizel a. a. O. S. 201. 
3) G.u. VOl. S. 29. Zuweisung der Vorentscheidung bei Verfolgung von öffentlichen Be- 
amten. 
4) G.u. VOl. S. 29 ff. 
5) Die Ausdehnung der Kompetenz der Verw. Gerichte erschien unumgänglich, wenn man die 
neue Einrichtung in lebensfähigem Zustande erhalten wollte, und die gesetzliche Festlegung des Ver- 
sahrens war der Regierung durch das Gesetz vom 12. April 1882 zur Pflicht gemacht worden (vgl. 
Ldtg. 1883/84 Prot. I. K. Beil. H. S. 19 ff.: S. 131 ff.). 
6) G.u. WOl. S. 543. Spätere Abänderungen enthalten die Gesetze v. 13. Juli, vom 30. Juli 
und vom 24. Aug. 1904; ferner Ges. vom 28. Septemb. 1906 u. Ges. v. 15. Okt. 1908.
	        
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