128 Die Organisation. Die Behörden. 8 40
2. Die Organisation der Verwaltungsgerichte. Zur Aus-
übung der Verwaltungsrechtspflege sind berufen:
a) Die Bezirksräte als Gerichte erster Instanz 1) in der gleichen Zusam-
mensetzung funktionierend wie bei den von ebendiesem Kollegium zu behandelnden
Verwaltungssachen. Auch im Verwaltungsstreitverfahren hat der Vorsitzende des
Bezirksrates das Recht, die ergangene Entschließung aus Gründen des öffentlichen
Interesses durch Anrufen der höheren Instanz anzufechten 2).
b) Der Verwaltungsgerichtshof, einmal als Berufungsgericht tätig
gegenüber den Entscheidungen der Bezirksräte 3), sodann zugleich auch in einer Reihe
von Fällen als Gericht erster Instanz zuständig ").
Die Mitglieder des Verwaltungs-Gerichtshofes (ein Präsident und die notwen-
dige Zahl von Räten) müssen die Qualifikation zum Richteramt besitzen 5); die er-
forderlichen Ersatzrichter werden aus der Zahl der Mitglieder des Oberlandesgerichtes
berufen. Die Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofes können während der Dauer
ihres Amtes nicht im Verwaltungsdienste, d. h. nicht in einer Stellung verwendet
werden, welche dieselben in ein Abhängigkeitsverhältnis gegenüber einem Organe
der Verwaltung bringen würde 65). Die Mitglieder des Oberlandesgecichtes empfangen
für ihre Dienstleistung als Ersatzrichter keine Bezüge.
Nach den an die Stelle der entsprechenden Spezialvorschriften des Gesetzes vom
24. Febr. 1880 getretenen Bestimmungen des Beamtengesetzes gelten die Mitglieder
des Verwaltungsgerichtshofes als richterliche Beamte im Sinne dieses Gesetzes mit
dem Unterschiede, daß sie auch auf eine andere gleichwertige Verwaltungsstelle ersetzt
werden können, daß für sie als Disziplinargericht der allgemeine Disziplinarhof
(* 89 des Ges.) in Wirksamkeit tritt, und daß die Dienstaufsicht über dieselben vom
Ministerium des Innern ausgeübt wird 7) 5).
Der Verwaltungsgerichtshof urteilt in Versammlungen von fünf Mitgliedern ).
3. Umfang der Gerichtsbarkeit.
a) Die Ausbildung der Verwaltungsrechtspflege beruht in Baden, in Ueberein-
stimmung mit der Praxis der übrigen deutschen Staaten, auch nach der Erweiterung,
welche dieselbe durch das Gesetz vom 14. Juni 1884 erfahren, auf dem Enumerations-
prinzip. Es gilt kein allgemeiner Grundsatz, der sämtliche Streitigkeiten des öffent-
lichen Rechtes oder doch größere, allgemein umschriebene Teile derselben den Ver-
waltungsgerichten zuweist. Die Zuständigkeit der letzteren beruht vielmehr auch
heute noch auf einer Reihe von Einzelbestimmungen, welche diejenigen Fälle, in denen
1) 82 Verw. Ges. 81 VRPflG.
2) VRPflG. 8 32.
3) Verwalt. Ges. § 1 Abs. 3. VRPflG. 82.
4) 88 3u. 4 des Ges.
5) Vgl. hierzu u. zum folgenden die 88 1-3 des Ges. v. 24. Febr. 1880.
6) Vgl. Wie landt a. a. O. S. 105 Anm. 5. der einzelne Funktionen hervorhebt, die den Mit-
gliedern des VGH. neben ihrem Amte ohne Gesetzesverletzung übertragen werden können, z. B.
die Stellung eines stellvertr. Mitgliedes der Oberrechnungskammer, des Vorsitzenden von Schieds-
erichten usw.
7) Beamtenges. § 118. Verw. Ges. §J 19 Abs. 1. Im Dienstrang stehen die Mitglieder des
VEH. den Mitgliedern der Ministerien gleich.
8) Ldh. VO. v. 19. Juli 1864 (Reg. Bl. S. 326).
9) V Pfl G. & 7 Abs. 1.