H. Ermisch: Die Anfänge des sächsischen Städtewesens. 147
wirtschaftliche wie auf politische Einflüsse zurückgehende innere Entwicklung,
die notwendig war, um eine Ortschaft zur Stadt im mittelalterlichen Sinne
werden zu lassen, aus ihren Wurzeln heraus zu verfolgen. Wir betrachten
nach einander die Stadt als befestigten Ort, die Stadt als Markt, als
Mittelpunkt von Handel und Industrie, die Stadt als Gerichtsbezirk, die Stadt
als Gemeinde.
Ein Rechtsgelehrter des 14. Jahrhunderts, Nicolaus Wurm, hat uns
das Verslein überliefert:
Einen Burger und einen Gebauer
Zweit nicht mehr wenn der Zaun und Mauer.
Nun wissen wir zwar bereits, daß die Ummauerung keineswegs das
einzige Merkmal war, das Stadt und Dorf scheidet; aber ihre Bedeutung war
doch eine sehr große. Denn die neuen Anlagen, die hauptsächlich friedliche
Stätten des Handels und der Industrie sein sollten, bedurften als solche des
Schutzes gegen feindliche Angriffe, und dieser Schutz wurde nicht allein durch
die Wahl eines von der Natur begünstigten Platzes, sondern auch durch die
Befestigung dieses Platzes erreicht. Zu einer solchen war stets die Einwilligung
des Inhabers der öffentlichen Gewalt notwendig; der Sachsenspiegel sagt:
man darf keine Burg bauen, noch Stadt befestigen mit Planken und mit
Mauern, noch Wälle, noch Werder, noch Türme anlegen in einem Dorfe,
ohne des Richters im Lande Erlaubnis. Die Grundherrn waren zur Um-
mauerung ihrer Städte also nur insofern berechtigt, als sie zugleich die
obersten Richter waren, d. h. als die landesherrlichen Gerechtsame auf sie
übergegangen waren.
Die erste Befestigung unserer Städte war wohl durchweg sehr einfach; sie
bestand aus Wall und Graben, oder einem Zaun von hölzernen Planken
und Pfählen. Bei kleineren Städten hat diese Befestigung Jahrhunderte lang
genügt; so war z. B. Penig bis 1488 lediglich in dieser Weise befestigt und
erhielt erst in diesem Jahre durch den Burggrafen Hugo von Leisnig eine
steinerne Ringmauer.
In der Regel aber bildete die Erbauung einer festen Mauer den Abschluß
der Stadtgründung. Auf Jahrhunderte hinaus hat die Mauer dann die
eigentliche Stadt scharf von den Vorstädten geschieden; noch heute, wo meist
Promenaden an die Stelle des Grabens und der Mauer getreten sind,
hebt sich in den meisten Stadtplänen der Stadtkern deutlich hervor. Daß
der Mauerbau den Abschluß der Anlage bildet, nicht etwa in ihre Aufänge
fällt, kann man vielfach aus dem Umfange der Mauer entnehmen. So umgab,
wie wir sehen, die Mauer der Stadt Freiberg nicht bloß die dreifache Stadt-
anlage, sondern auch die Sächsstadt, das alte Dorf Christiansdorf. Auch bei
Meißen ist das alte Wendendorf bei der Wasserburg mit in die Mauer ein-
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