§ 47 Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzungen. 153
stehenden Angeschuldigten als angezeigt erscheinen läßt 1). Die dem früheren Rechte
eigentümliche Vorschrift, daß die einzelnen Strafen immer nur in einer gewissen
Stufenfolge angewendet werden sollen 2), hat in das Beamtengesetz keine Aufnahme
gefunden.
4. Da die Disziplinarstrafgewalt des Staates auf einer anderen Grundlage beruht
wie die allgemeine Strafgewalt, und da sie der letzteren an und für sich selbständig
gegenübersteht, so hat das Beamtengesetz, um Unzuträglichkeiten zu vermeiden, für
die Fälle, in denen die Handlungsweise eines Beamten zugleich auch unter das all-
gemeine Strafgesetz fällt, eine Reihe von Vorschriften erlassen, welche das Verhältnis
der beiden Strafprozeduren zu einander näher bestimmen sollen. So verfügt das
Gesetz die unbedingte Priorität des gerichtlichen Strafverfahrens. Solange ein solches
schwebt, darf wegen der nämlichen Tatsachen ein Disziplinarverfahren nicht einge-
leitet werden; und umgekehrt ist ein bereits begonnenes Disziplinarverfahren, wenn
wegen der betreffenden Tatsachen nachträglich ein strafgerichtliches Verfahren ein-
geleitet wird, so lange auszusetzen, bis das letztere seine Erledigung gefunden hat 3).
Weiter ist für den Fall, daß im strafgerichtlichen Verfahren eine Freisprechung
erfolgt, wegen derjenigen Tatsachen, die im gerichtlichen Verfahren zur Erörterung
gekommen sind, ein Disziplinarverfahren nur insoweit zulässig, als diese Tatsachen
an sich und ohne ihre Beziehung zum gesetzlichen Tatbestand der strafbaren Handlung,
welche den Gegenstand der Untersuchung bildete, ein Dienstvergehen enthalten ).
Hat die im gerichtlichen Verfahren erfolgte Verurteilung den Verlust der Amts-
stellung im Gefolge, so ist naturgemäß für ein Disziplinarverfahren kein Raum,
andernfalls bleibt die Befugnis zum disziplinären Einschreiten in vollem Umfange
aufrecht erhalten 5). Jedoch sind die gelegentlich einer strafgerichtlichen Verurteilung
vorgenommenen tatsächlichen Feststellungen auch für das Disziplinarverfahren maß-
gebend, ohne daß es einer Wiederholung der Beweisaufnahme bedarf 7).
5. Besondere Behörden sind für die Handhabung der Disziplinarstraf-
gewalt im Gesetze nur für die Fälle der Strafversetzung und der Dienstentlassung vor-
gesehen. Die Verhängung der Ordnung s strafen erfolgt grundsätzlich durch die
unmittelbar vorgesetzten Behörden und Beamten; es können indessen über die Zu-
ständigkeit dieser Behörden und Beamten im Verordnungswege besondere Bestim-
mungen getroffen werden 7). So ist durch die früher bereits genannte Ldh. VO. vom
1) Diesem dienstl. Interesse gegenüber, das auf die Erhaltung eines guten sowie achtungs- und
vertrauenswürdigen Beamtenstandes gerichtet ist, tritt der Vergeltungsgedanke zurück. Vgl. die
zutreffenden Aeußerungen von Otto Mayer a. a. O. Bd. II S. 245. Jenes dienstl. Interesse
führt denn auch dazu, daß die Disziplinierung eines Beamten auf Handlungen gestützt werden
kann, die vor dem Eintritt in den staatl. Dienst begangen wurden. 5 84 des Ges.
2) Vgl. das frühere Staatsdiener--Ed. § 11, das vor der Anwendung des schwersten Disziplinar-
mittels die Vornahme einer Reihe von stufenweise geordneter Besserungsversuche vorgeschrieben
hatte (die sogen. Dienergrade). Pfister a. a. O. S. 262ff.
3) 5 85 des Ges.
4) § 86 Abs. 1 des Ges.
5) # 86 Abs. 2 des Ges.; es besteht insbes. auch keinerlei Beschränkung hins. der anzuwendenden
Strafarten. Vgl. hierzu Meyer-Anschütz a. a. O. Anm. 21 zu §. 148.
6) Damit ist für Baden eine im preuß. R. streitige Frage entschieden, vgl. Meyer-An-
schütz zu § 148 Anm. 23.
7) & 87 des Ges. Bei den Mitgliedern der Oberrechnungskammer ist das St. Ministerium,
bei den sonstigen Beamten dieses Kollegiums dessen Präsident zuständig; bez. der landständ. Be-
amten besitzt diese Kompetenz, solange der Landtag versammelt ist, der Präsident der betreff. Kam-
mer, ### 116, 119 des Ges.