Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

§ 3 Das Großherzogtum bis zum Crlaß der Verf.-Urk. und zum Frankf. Territorialrezeß. 5 
  
Polizeisachen), sowie die Finanzverwaltung führten 1). Diesen untergeordnet als Bezirksstellen 
fungierten 119 Bezirksämter (worunter 53 standesherrliche), die — durch einen einzigen Beamten 
geleitet — in erster Instanz nicht nur die Geschäfte der Verwaltung, sondern auch diejenigen 
der Justiz zu besorgen hatten. Als unterste Organe zur Ausführung der staatlichen Anordnungen 
kamen die Vorsteher der Gemeinden in Betracht, die damals als reine Staatsverwaltungsbezirke 
angesehen wurden und als Minderjährige behandelt der rechtlichen Selbständigkeit tatsächlich 
entbehrten. 
Der Gedanke, das zum Staate geeinigte Volk durch die Gewährung einer Repräsensativ- 
verfassung zur aktiven Teilnahme an der Landesregierung mit heranzuziehen, wurde noch im 
Jahre 1806, als die vormaligen Breisgauer Stände einen Versuch unternahmen, ihre unter der 
österreichischen Herrschaft ausgeübten Rechte auch fernerhin geltend zu machen, entschieden 
zurückgewiesen ). Bereits zwei Jahre darnach fühlte man sich aber, besonders auch mit Rücksicht 
auf „die jüngsten Vorgänge in den beiden größeren Bundesstaaten Bayern und Westfalen“ 
veranlaßt, in der feierlichen Form einer Landesverordnung die Zusicherung zu heben, daß man 
eine „Landesrepräsensation zu bewilligen gedenke, welche das Band zwischen dem Landesfürsten 
und den Staatsbürgern noch fester als bisher zu knüpfen“, geeignet sei?). 
Es dauerte indessen geraume Zeit, bbis dieser Zusage die Erfüllung nachfolgte. Die auf 
Grund jenes Versprechens zwar alsbald angefertigten Entwürfe konnten bei den ungünstigen 
Gesundheitsverhältnissen und bei dem hohen Alter des Landesherrn zu dessen Lebzeiten nicht 
zu einem endgültigen Abschluß gelangen. Nachdem Großherzog Karl Friedrich aber am 6. Juni 
des Jahres 1811 verstorben, blieb während der Regierung des an die Stelle seines Großvaters 
getretenen Enkels des Großherzogs Karl die ganze Angelegenheit vorerst wieder beruhen ). 
Einen erneuten Anstoß erfuhr die Verfassungsfrage nach dem Zusammentritt des Wiener 
Kongresses, dem auch der junge Großherzog anwohnte. Die unverkennbare Erscheinung, daß 
die innerbadischen Verhältnisse in den letzten Jahren eine keineswegs erfreuliche Entwickelung 
genommen, bestärkte die Männer der Umgebung des Fürsten in der Ueberzeugung, daß, um 
das Volk zu beruhigen und um den Staat gegen die verschiedenen Anfechtungen seines Territorial- 
bestandes zu festigen, auf dem Gebiete der verfassungsmäßigen Einrichtungen ein entscheidender 
Schritt unternommen werden müsse. Gestützt auf den mächtigen Einfluß des Kaisers Alexander I., 
der damals als der Beschützer aller konstitutionellen Bestrebungen auftrat, und der zudem mit 
Großherzog Karl in nahen Familienbeziehungen stand, gelang es den Freunden des Verfassungs- 
projektes die Einsetzung einer vorberatenden Kommission zu erwirken, die dann in den ersten 
Monaten des Jahres 1815 zwei Entwürfe aufstellte. Die Rückkehr Napoleons aus Elba und 
ihre Folgen ließen aber auch diese Arbeiten auf ungewisse Zeiten vertagen. 
Der nächste Schritt auf dem Wege nach dem vorgezeichneten Ziele geschah aus der Mitte 
des Landes. Zunächst waren es die Mitglieder des unterländischen Adels, welche, gekränkt durch 
die die Rechtsstellung des Adels wesentlich einschränkende Verordnung vom 15. Mai 1813°) vor 
allem in ihrem eigenen Interesse unter Berufung auf den Art. XIII der deutschen B U. 
unterm 2. November 1815 mit einer Petition an den Landesherrn den alsbaldigen Erlaß einer 
Berfassung begehrten. Ihnen schlossen sich andere Adelskreise an. Gleichzeitig begann sich aber 
auch in bürgerlichen Kreisen das Verlangen nach einer Verfassung lebhafter zu regen. Die 
schwankende Haltung der Regierung hatte Unruhe und Zweifel an dem Ernste ihrer Bestrebungen 
aufkommen lassen; die Steuern drückten schwer, und die Nachwehen der Kriegsjahre machten 
sich empfindlich fühlbar ). Abermals wurden neue Entwürfe ausgearbeitet. Mit Reskript vom 
16. März 1816 stellte man bereits die demnächstige Eröffnung der ersten ständischen Versammlung 
in Aussicht. Am 30. Juli des gleichen Jahres erfuhr jedoch das Land durch eine neue Botschaft 
die überraschende Kunde, daß man mit dem Erlaß der Verfassung zuwarten wolle, bis der 
Bundestag in dieser Angelegenheit mit bestimmten einheitlichen Direktiven hervorgetreten sei?). 
1) Die zunächst einge führte scharfe bureaukratische Form der Verwaltungstätigkeit der 
Kreisdirektorien wurde im Jahre 1813 bereits wieder in manchen Punkten abgeschwächt. 
2) Vgl. das bei Pfister a. a. O. Bd. II abgedruckte Reskript vom 5. Mai 1806 ( es 
bedarf keines weiteren Organs zwischen dem Fürsten und den Unterthanen) 
3) Vgl. die Einleitung der ldhy. VO. vom 5. Juli 1808 (Reg. Bl. Nr. 21). 
4) Vgl. hierzu und zum folgenden v. Weech, Gesch. der badischen Verfassung nach amtl. 
Quellen. K. 1868 S. 1 und S. 152 ff. ferner v. Treitschke, Deutsche Gesch. Bd. 2. S. 354 ff. 
5) Reg. Bl. Nr. 15. 
6) v. Weech a. a. O. S. 26 ff. S. 33. 
7) Reg. Bl. 1816 Nr. 24.
	        
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