176 Die Organisation. Die Selbstverwaltungskörper. § 53
zwischen diesen den Namen der Stadt tragenden Gemeinden und den Landgemeinden
besteht nur insofern, als diese „Städte“, wenn sie mehr als 3000 Einwohner zählen, die
Städteordnung annehmen können 1), daß ihre Vorsteher auf dem Gebiete der Zwangs-
vollstreckung und im polizeilichen Strafverfahren weitergehende Befugnisse besitzen,
daß der Gesamtheit dieser „Städte" eine Vertretung in der ersten Kammer eingeräumt
ist, und daß die Städte schlechthin, wenn sie mehr als 7000 Einwohner besitzen, bei den
Wahlen zur Kreisversammlung bevorzugt sind?).
Das letzte Jahrzehnt der badischen Gemeindegesetzgebung brachte vor allem
eine Reihe von Vorschriften auf steuerlichem Gebiet. Im Vordergrund derselben stehen
die Ergänzungen und Abänderungen, welche die Gde.Ordg. sowohl wie die Städte Ordg.
gelegentlich der Einführung der im Jahre 1906 beschlossenen Vermögenssteuer erfuhren.
Bei dieser Gelegenheit wurde auch das gesamte Beitrags- und Gebührenwesen einer
Umarbeitung unterzogen, ferner wurde die Einrichtung der ständigen Kommissionen
auch den Gemeinden mit 2000 und mehr Einwohnern zugänglich gemacht. Da das
neue Gesetz in die formalen Anordnungen der bisherigen Vorschriften tief eingriff,
wurde die Regierung ermächtigt, die Gde.Ordg. und die Städte Ordg. in neuer Fassung
zu veröffentlichen 3).
§ 53. Die rechtliche Natur und die Grundlagen der Gemeinden. Die Gemeinden
sind individuell bestimmte, in Anlehnung an eine oder mehrere Ortschaften entstandene
körperschaftliche Verbände, die der Staat als Rechtssubjekte anerkannt, und denen er
die gesetzlich garantierte Befugnis verliehen hat, in dem zu den einzelnen Ortschaften
gehörenden Teilen des Staatsgebietes, soweit nicht gesetzliche Schranken entgegen-
steheen, durch eigene Organe öffentliche Verwaltungsaufgaben zu lösen unter An-
wendung einer der staatlichen ähnlichen Herrschergewalt.
Wie dies die früheren Gesetze getan, so betrachtet auch dic Gde. Ordn. des Jahres
1831 die vorhandenen Gemeinden als notwendige Glieder der Staatsorganisation.
Deshalb kann eine Aenderung in dem Bestande der Gemeinden nur im Wege des
Gesetzes erfolgen, mag es sich um die Auflösung oder um die Neubildung handeln /).
Die etwa vorher gefaßten Beschlüsse der Gemeindeorgane, den Gemeindeverband
aufzulösen, sei es schlechthin, sei es zum Zweck der Vereinigung mit einer Nachbar-
gemeinde, sind rechtlich ohne Bedeutung, ebenso wie die bei Neubegründungen zwischen
den Organen der Stammgemeinde und den auszuscheidenden Beteiligten getroffenen
Vereinbarungen. Entscheidend ist allein der Inhalt des die Aenderung verfügenden
Gesetzes.
Die Herrschergewalt, die der Gemeinde eingeräumt ist, erstreckt sich nicht nur auf
ihre Angehörigen, sondern schlechtweg auf das ganze mit der Gemeinde verbundene
Stück des Staatsgebietes. Die rechtliche Grundlage der Gemeinden besteht daher
ebenso wie diejenige des Staates aus zwei Elementen, einem sachlichen und einem
persönlichen.
I. Das erstere bildet die Gemarkung, d. h. ein durch äußere Zeichen abge-
1) Ges. v. 24. Juni 1874 Art. 3. Andere Gemeinden mit mehr als 3000 Seelen müßten erst
vorher förmlich zur Stadt erhoben werden, was aber ebenfalls im Verwaltungswege geschehen kann.
2) VO. v. 27. Okt. 1884 § 3; VO. v. 11. Sept. 1879 § 23; Pol. StrGB. F 31, der die Städte
den Landgemeinden ganz allgemein gegenüberstellt. Ferner: Verf. Urk. § 27 Ziff. 7; Verw.=
Ges. § 27 Ziff. 3, § 35. Vgl. auch Gd. Ordg. 7§ 20 Abs. 2, wonach einem Volksschullehrer die Rat-
schreiberstelle nur in Landgemeinden übertragen werden darf.
3) Ges. betr. die Abänderung der Gde.= und St O. und die Einführung der Vermögenssteuer
vom 19. Oktob. 1906 (G.u. VO Bl. S. 523) u. Bekanntm. des M. d. J. vom gl. Tage (G.u. VOl.
S. 534). Eine genaue Zusammenstellung aller den Text der Gde.= und St. O. beeinflussenden
Gesetze gibt Wielandt, Bad. Bürgerbuch Bd. I S. 432 und S. 529.
4) Gde Ordg. 8 4.