Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

84 Baden als konstitutioneller Staat bis zur Begründung des deutschen Reichs. 7 
  
Der nach der tatsächlichen Auflösung des Rheinbundes unterm 20. Sept. 1813 zu Frankfurt 
abgeschlossene Vertrag mit Preußen sicherte dem Großherzoge zwar, die auch später im I. Pariser 
Frieden garantierte Souveränetät zu, stellte ihm aber in Aussicht, daß er sich unter Umständen 
gewisse Länderabtretungen gefallen lassen müsse. Dank des energischen Eingreifens des Groß- 
herzogs Karl und der Mitwirkung seiner fürstlichen Freunde gelang es jedoch, die drohende Gefahr 
zu beseitigen. Baden erhielt im I. Pariser Frieden noch die Stadt Kehl und durch einen mit 
Oesterreich und Bayern unterm 10. Juli 1819 abgeschlossenen Staatsvertrag als Ersatz für 
gewisse an Bayern abgetretene Teile der Grafschaft Wertheim die unter österreichischer Sou- 
veränetät stehende, inmitten des Großherzogtums gelegene, dem mediatisierten Fürsten von der 
Leyen zugehörende Grasschaft Hohengeroldseck mit 4460 Einwohnern). 
Der hierdurch geschaffene Besitzstand wurde durch einen weiteren mit Oesterreich, England, 
Preußen und Rußland, ebenfalls unterm 10. Juli 1819 vereinbarten Staatsvertrag, der zugleich 
das Erbfolgerecht der Grafen von Hochberg sicherstellte, völkerrechtlich anerkannt?) und durch 
den Frankfurter Territorialrezeß vom 20. Juli gleichen Jahres förmlich bestätigt. 
Baden blieb demnach im Großen und Ganzen der Umfang, in dem es unterm 26. Juli 
1815 dem deutschen Bunde beigetreten, auch fernerhin erhalten. 
Derselbe bemaß sich im Jahre 1815 auf 274 Qadratmeilen. Die später noch vorgekommenen 
Aenderungen des Länderbestandes, gelegentlich der Rheinkorrektion oder bei sonstigen Anlässen, 
sind nicht von entscheidender Bedeutung?). 
#§ 4. Baden als konstitutioneller Staat bis zur Begründung des deutschen Reiches. 
Die Tätigkeit des durch die Verfassung geschaffenen neuen Landtages begann mit Stürmen, 
die unter der Einwirkung der Karlsbader Konferenzen bald auch zu einer Revision einzelner 
Verfassungsbestimmungen führten, welche eine Stärkung der Gewalt der Regierung beabsichtigten. 
(Ges. v. 21. April 1825) ). 
Unter der Herrschaft des als Nachfolger des Großherzogs Ludwig am 30. März 1830 an 
die Regierung gelangten ältesten Sohnes aus der zweiten Ehe Karl Friedrichs, des Großherzogs 
Leopold, wurde dieser Schritt alsbald wieder rückgängig gemacht (Gesetz v. 13. Juni 1831 5), 
worauf sich eine umfangreiche Gesetzgebungstätigkeit entwickelte, welche den badischen Staat 
nach den verschiedensten Seiten hin in modernem Sinne ausbildete. Zu erwähnen wären hier 
nur die grundlegenden Gemeindegesetze vom 31. Dezember 1831, die bürgerliche Prozeßordnung 
mit Oeffentlichkeit des Verfahrens, ein Strafgesetzbuch mit Strafprozeßordnung und Gerichts- 
organisation, das Forstgesetz, die Gesetze über Aufhebung der Staatsfronden und Ablösung 
der Zehnten. 
Eine Unterbrechung erfuhr diese in gemäßigtem Schritte vorwärtsgehende Staatstätigkeit, 
als nach dem im Jahre 1838 erfolgten Tode des verdienten Staatsministers Winter, jene 
radikalen Elemente im Landtage und im Volke stärker in den Vordergrund traten, die es dann 
später bis zum Aufstande kommen ließen. 
Die Nachwirkungen der gegenüber der Revolutionszeit unausbleiblichen Reaktion dauerten 
noch in die ersten Regierungsjahre Großherzog Friedrich I. hinein, der nach dem am 24. April 
1852 erfolgten Ableben seines Vaters zunächst als Regent für den älteren Bruder Ludwig und 
dann, seit dem 5. September 1856, in eigenem Namen als Großherzog die Regierung des 
Landes führte. Die Bahn eines entschiedenen aber maßvollen Fortschrittes konnte erst wieder 
betreten werden, nachdem es gelungen, das von neuem aufzubauen und zu festigen, was die 
beiden Revolutionsjahre zerstört, und nachdem vor allem auch das Band, das man seiner Zeit 
mit dem Erlaß der Verfassung zwischen Fürst und Volk zu knüpfen gedacht, wieder erstarkt 
und gekräftigt war. 
Den äußeren Anstoß zu der nun beginnenden tiefgehenden Umgestaltung des gesamten 
öffentlichen Rechtszustandes in Baden, welche dem Lande bis in die Gegenwart hinein ihr 
1) Reg. Bl. 1819 Nr. 30. 
2) Durch Vertrag vom 20. Okt. 1720 auch von Frankreich. 
3) Vertrag mit Aargau v. 27. Juli 1819 (Reg. Bl. Nr. 27 und 29; mit Bayern v. 24. April 
1840 (Reg. Bl. 1843 S. 17): mit Württemberg 28. Juli 1843 (Reg. Bl. 1846, S. 60); mit 
Frankreich vom 5. April 1840 (Reg. Bl. S. 129): mit Hessen v. 11. Mai 1903 (Abtretung ge- 
wisser Landesteile an Hessen gegen Verzicht auf die Kondominatsansprüche bezügl. der Gemeinde 
Kürnbach (vgl. Ges. v. 28. Okt. 1904 (G. u. WO. Bl. S. 423 ff.). 
4) Reg. Bl. Nr. 6. Vgl. zum folgenden: Badische Landtagsgeschichte von L. Müller, 
Berlin 1901 u. ff., ferner Rosin, Bad. St R. um die Geburtszeit Großh. Friedrichs (Frei- 
burger Festprogramm 18960). 
5) Reg. Bl. Nr. 10.
	        
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