Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

182 Die Organisation. Die Selbstverwaltungskörper. 8 54 
  
richtig geführt werden, und es ist ihm zu diesem Zweck eine von ihm selbständig zu 
handhabende Ordnungsstrafgewalt eingeräumt 1). Weitere Befugnisse kommen ihm 
aber auf dem Gebiete der Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten nicht zu. Er 
steht weder dem Gemeinderat als rein selbständiges Organ gegenüber, noch ist er der 
Vorgesetzte der einzelnen Gemeinderatsmitglieder. Die vom Gemeinderate gefaßten 
Beschlüsse muß er vollziehen, auch wenn er dagegen gestimmt hatte 2). 
Anders ist die rechtliche Stellung des Bürgermeisters im Verhältnisse zum Ge- 
meinderat jedoch überall da, wo es sich nicht mehr um die Verwaltung eigener Ge- 
meindeangelegenheiten handelt, sondern um die Besorgung von Geschäften, die der 
Staat dem Bürgermeister direkt als dem Verwalter der Gemarkung, d. h. eines Teiles 
des Staatsgebietes, aufträgt, so bei der Verwaltung der Ortspolizei, der streitigen und 
freiwilligen Gerichtsbarkeit, der Standesbeamtung usw. 3). 
Die Wahl der Mitglieder des Gemeinderates erfolgt in den Gemeinden 
welche mindestens 2000 Einwohner zählen, durch den Bürgerausschuß, in den übrigen 
Gemeinden durch die Bürger und wahlberechtigten Einwohner mit geheimer Stimm- 
gebung 4). Wählbar ist jedes aktive Mitglied der Gemeinde, dessen Wahl= oder Stimm- 
recht nicht ruht. Als Bürgermeister kann außerdem jeder männliche Angehörige des 
Deutschen Reiches gewählt werden, der sich im Vollbesitz der Rechtsfähigkeit und der 
bürgerlichen Ehrenrechte befindet, nicht im aktiven Militärdienst steht und das 26. Le- 
bensjahr zurückgelegt hat. Zur Gültigkeit der Wahl wird jedoch der Erwerb der bad. 
Staatsangehörigkeit verlangt; mit der Annahme erhält der Gewählte zugleich das 
Orts= oder Stadtbürgerrecht 5). 
Eine staatliche Bestätigung der Wahl findet nicht statt. Jedoch kann, wenn drei 
Wahltagfahrten ergebnislos verlaufen, in den nicht unter die St O. fallenden Ge- 
meinden auf die Dauer von zwei Jahren ein Bürgermeister von der Regierung ernannt 
werden. In den Städten der St O. kann in diesem Falle das Ministerium des Innern 
einen Kommissär ernennen, der bis zum Zustandekommen einer gültigen Wahl die 
Stelle auf Kosten der Stadt verwaltet 5). 
In den Städten der St O. müssen der Oberbürgermeister und die Bürgermeister 
Besoldung empfangen; auch ist ihnen für den Fall der eintretenden Dienstunfähigkeit 
oder bei Nichtwiederwahl nach Ablauf der Amtsperiode gesetzlich ein Pensionsanspruch 
gewährleistet. Letzterer kann bezüglich der Bürgermeister und in den Städten, die 
sich freiwillig der St O. unterstellt haben, auch bezüglich des Oberbürgermeisters durch 
ortsstatutarische Bestimmung ausgeschlossen werden. 7) Die übrigen Mitglieder des 
1) Gde. u. St O. § 52 Abs. 2 u. ff. 
2) Der § 45 Gde. u. St O. gibt ihm zwar die Befugnis, auch gegen den Willen des Gemeinde- 
rates die Gemeindevertretung zusammenzuberufen, er darf jedoch den Vollzug der Gemeinderats- 
beschlüsse nicht etwa von der Entscheidung der Gemeindevertretung abhängig machen. 
3) Mit Rücksicht auf die Sonderstellung, welche der Bgster. hier einnimmt, hat das Gesetz in 
dem Titel, der von der Verwaltung der Gden. spricht, die Amtsbefugnisse des Bgsters in einem be- 
sonderen Kapitel behandelt. + 52 Gde. u. St. O. Ueber die Stellung des Bgsters. zum Gderat 
bei der Verwaltung der Ortspolizei insbes. vgl. § 60 f. Gde. u. St O. u. § 23 Ziff. 1 Pol. StrG. 
4) Gde. u. St O. 11. 
5) Gde. u. St O. § 12 u. ff. 
6) Gde.O. F. 14 Abs. 3; St O. & 14 Abs. 2. Hier muß spätestens nach Ablauf eines Jahres der 
Versuch einer abermaligen Wahl vorgenommen werden. 
7) StO. 8 10, 19 d. Ges. v. 24. Juni 1874 Art. 3. Tatsächlich beziehen auch in den übrigen 
 
	        
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