Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

8 54 Die Organe der Gemeinden. 183 
  
Gemeindevorstandes versehen ihre Stelle im Zweifelsfalle ehrenamtlich 1). 
Die Amtsdauer der Bürgermeister beträgt neun, diejenige der Gemeinderäte 
sechs Jahre. Von den letzteren scheidet alle drei Jahre die eine Hälfte aus. Die aktiven 
Mitglieder der Gemeinde sind zur Annahme der Wahl in die Gemeindeverwaltung 
und zur Beibehaltung des übertragenen Amtes verpflichtet. In den Städten der 
St O. geht diese Verpflichtung nur soweit, als es sich um unbesoldete Aemter handelt. 
Wird die Annahme einer Wahl ohne genügende Entschuldigungsgründe, über deren 
Erheblichkeit unter Umständen der Bürgerausschuß zu entscheiden hat, verweigert, 
oder wird ein übernommenes Amt vorzeitig niedergelegt, so trifft den Verweigerer 
oder Austretenden eine von dem Gemeinderat festzusetzende Geldstrafe von 50—300 
Mark 2). 
II. Der in allen Gemeinden von mindestens 500 Einwohnern zu bestellende 
Bürgerausschuß, der im Gesetze auch die „Gemeindevertretung" genannt 
wird, ist zunächst dazu berufen, in bestimmten genau bezeichneten Fällen die Beschluß- 
fassung des Gemeinderates zu ergänzen, um zu bekunden, daß diese Beschlüsse in 
der Tat dem Interesse der von ihm vertretenen Gesamtheit der Gemeindeangehörigen 
entsprechen. Außerdem fungiert der Bürgerausschuß in der Regel als Wahlorgan für 
die Bestellung des Gemeindevorstandes. Eine allgemeine Vollmacht zur Mitarbeit 
bei der Gemeindeverwaltung ist dem Bürgerausschuß nicht verliehen; auch seine 
Kontrolltätigkeit beschränkt sich auf die Angelegenheiten, bei denen er zur Beschluß- 
fassung berufen ist 3). 
Ihrer Art nach erstrecken sich die Fälle, in denen die Zuständigkeit des Bürger- 
ausschusses begründet ist, auf die verschiedensten Zweige der Gemeindetätigkeit. Der 
Bürgerausschuß wirkt mit bei den Akten der Gemeindeautonomie, bei einzelnen Akten 
der Rechtssprechung, vor allem aber ist er tätig auf dem Gebiete der Finanzverwaltung, 
worüber das nähere an anderer Stelle zu sagen sein wird. 
In all den hier in Frage stehenden Fällen können die Beschlüsse des Gemeinde- 
vorstandes, „ohne Zustimmung des Bürgerausschusses nicht zum Vollzug kommen". 
Der letztere kann also die Tätigkeit des Gemeinde= oder Stadtrates zwar hemmen, 
nicht aber vermag er den Gemeindevorstand zu zwingen, daß dieser eine bestimmte 
Handlung vornimmt ¼). Dies gilt auch in denjenigen Fällen, in denen dem Bürger- 
ausschuß ausnahmsweise ein gewisses Initiativrecht eingeräumt ist 5). Eine eigen- 
Gemeinden die Bürgermeister meistens einen festen Gehalt. In den St OStädten u. in einzelnen 
größeren Gemeinden anderer Art ist den Bürgermeistern durch Vertrag auch eine den Vorschriften 
des Beamtengesetzes entsprechende Reliktenversorgung zugestanden. Die Bgster. der übrigen Ge- 
meinden können, sofern sie ihr Amt berufsmäßig versehen, zur Gewinnung eines Pensionsanspruchs 
u. einer Reliktenversorgung in die für die Gemeinde= u. Körperschaftsbeamten errichtete Fürsorge- 
kasse eintreten (uvgl. unten § 64). 
1) Ihr Amt gehört zu den „unbesoldeten“" Gemeindeämtern. Mitunter wird aber auch ihnen 
ein gewisser (gering bemessener) Gehalt gewährt. Vgl. auch Gde. u. St O. F 21. 
2) Gde. O. § 18 a (50—200 M.), § 40; St O. #e. 
3) Gde. u. St O. J 44 initio, & 65 a, St O. § 56 b. 
4) Vgl. die Darlegung in den Schriften des Vereins f. Soz. Pol. a. a. O. S. 44 ff., überein- 
stimmend Wielandta. a. O. S. 19, a. A. Löning, D. Verw. R. S. 175 u. Jolly im Wör--= 
terbuch des DVR. Bd. 1 S. 521 (Gemeindeorgane). 
5) Gde. u. St O. § 44, die Gdevertretung wird demgemäß auch nur „zur Vernehmung“ ein- 
berufen. Eine Ausnahme gilt nur für den rechtlich bedeutungslosen Fall in § 44 Ziff. 2 (Vorstellung 
an den Landesherrn oder an die Stände).
	        
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