184 Die Organisation. Die Selbstverwaltungskörper. 8 54
artige Stellung nimmt der Bürgerausschuß jedoch dann ein, wenn es sich darum
handelt, gegen die verantwortlichen Träger der Gemeindeverwaltung mit einer „Be-
schwerde“ aufzutreten, oder wenn er von der Staatsbehörde in einem gegen die Ge-
meindeverwaltung eingeleiteten Verfahren um Aeußerung angegangen wird u).
Analoge Grundsätze gelten für die rechtliche Stellung der Gemeindeversammlung.
Gebildet wird der Bürgerausschuß zunächst aus einer je nach der Ziffer der
Wahlberechtigten in den einzelnen Gemeinden näher bestimmten Anzahl von
gewählten Mitgliedern, die in den Städten der StO. den Namen Stadt-
verordnete führen. Außerdem gehören aber dem Bürgerausschusse kraft Ge-
setzes auch alle Mitglieder des Gemeindevorstandes (des Gemeinde= oder Stadtrates)
an. Die Zahl der in den Städten der StO. in den Bürgerausschuß zu wählenden
Mitglieder beträgt 48—96, die in den übrigen Gemeinden 36—84) 2).
Die Vornahme der Wahl geschieht nach dem Dreiklassensystem, welches die ge-
samten wahlberechtigten Personen nach ihrer direkten Steuerleistung an die Gemeinde
in Abteilungen einreiht, bei der Bildung der einzelnen Klassen jedoch Rücksicht darauf
nimmt, daß in jeder Klasse ein gewisser Bruchteil der Wählerschaft vertreten ist 3).
In den Städten der St O. entfallen auf die erste Klasse 1½/15, auf die zweite 3/12 und
auf die dritte //12 der Wähler; in den übrigen Gemeinden mit mehr als 4000 Ein-
wohnern fallen in die zweite Klasse 3/12 und in die dritte 3/12; in den Gemeinden
von 1000 bis 4000 Einwohnern wird nach Neunteln geteilt und zwar derart, daß zu
der ersten Klasse ½, zu der zweiten und zur dritten die übrigen /8 gehören; für
die Gemeinden von 500 bis 1000 Seelen ist die bereits für die alte Bürgergemeinde
geltende Einteilung nach Sechsteln beibehalten worden (½, /8 und / der Wahl-
berechtigten). Die Stimmgebung ist eine geheime.
Wählbar in den Bürgerausschuß sind grundsätzlich alle Wahlberechtigten;
von besonderen im Gesetze genannten Ablehnungsgründen abgesehen sind die Ge-
wählten zur Annahme der Wahl verpflichtet. Die Wahlperiode beträgt sechs Jahre;
alle drei Jahre findet eine hälftige Erneuerung statt"!). Das Wahlverfahren ist im
Verordnungswege geregelt 5). Die Entscheidung über die Gültigkeit einer ange-
fochtenen Wahl kommt, wie dies auch bezüglich der Wahlen in den Gemeindevor-
stand der Fall ist, ausschließlich den staatlichen Behörden zus).
Die Leitung der Verhandlungen des Bürgerausschusses liegt
in der Hand des Vorsitzenden des Gemeindevorstandes. Er allein ist auch dazu berech-
tigt, den Bürgerausschuß einzuberufen. Ein Recht der Selbstversammlung besitzt
der letztere nicht 7), wohl aber kann, besonders in dem Falle, daß über die Gemeinde-
verwaltung Beschwerde erhoben werden soll, unter Umständen die Staatsverwaltungs-
1) § 44 Ziff. 3.
2) Gde. u. St O. § 33, Gde. O. § 43.
3) Gde. u. St O. 35.
4) Gde. u. St O. 37 ff.
5) Gemeindewahlordnung, VO. vom 12. Nov. 1896 (G.u. VOl. S. 426), abg. 22. Oktob.
1906 (G.u. VOl. S. 640). Städtewahlordnung, V. v. 19. April 1901 (G.u. VOl. S. 323),
abg. 22. Oktob. 1906 (G.u. VO Bl. S. 637). Gewählt wird nach Listen ohne Bildung von Bezirken.
6) Bezirksrat, Verwaltungsgerichtshof § 3 Ziff. 24 VR Pfl. G.
7) Gde. u. St O. § 52 Abs. 6. Auf den eigenmächtigen Zusammentritt ist „eine angemessene
polizeiliche Strafe“ gesetzt.