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noch die weitere Vergünstigung, daß eine nach 8 26 Abs. 1 StO. ausgesprochene
Dienstentlassung den ihnen bewilligten Pensionsanspruch in Kraft treten läßt!).
Gegenüber der Gemeindevertretung oder einzelnen Mitgliedern derselben be-
sitzt die Staatsaufsichtsbehörde abgesehen von dem Falle, in dem der Staats-
aufsichtsbeamte befugt ist, den Bürgerausschuß einzuberufen 2), keine Zwangsge-
walt. Eine Befugnis der Staatsbehörde zur Auflösung der Gemeindevertretung
ist dem badischen Rechte unbekannt.
§ 57. Die abgesonderten Gemarkungen. Die rechtliche Ausgestaltung der
außerhalb des Gemeindeverbandes liegenden sogen. abgesonderten Gemarkungen,
deren Fortbestand durch die Gemeindegesetzgebung des Jahres 1831 ausdrücklich
sanktioniert worden war, hat in neuerer Zeit in der Novelle zur Gde. Ordg.
vom 23 Juni 1892 eine durchgreifende Wandlung erfahren 3).
Vordem als rein passive Verbände aufgefaßt"), die dem Staate gegenüber
zur Erfüllung gewisser Aufgaben verpflichtet waren, erhielten dieselben nunmehr,
wo eine Mehrheit von Personen dabei in Frage kommt, eine der Gemeinde
nachgebildete Organisation und nach den unzweifelhaften Willen des Gesetz-
gebers zugleich allgemein die Eigenschaft einer juristischen Persönlichkeit 5).
Allerdings geht die ihnen verliehene Berechtigung nicht so weit, daß sie wie
die Gemeinden innerhalb gewisser gesetzlicher Schranken ihr Tätigkeitsgebiet
frei bestimmen könnten; auch heute vermag sich ihr Selbstverwaltungsrecht nur,
zu betätigen in der Erfüllung bestehender gesetzlicher Verpflichtungen, und nur
soweit es hierzu erforderlich ist, reicht auch ihre Fähigkeit, Rechte zu erwerben.
Für die Erfüllung der den abgesonderten Gemarkungen obliegenden Ver-
pflichtungeen haften in erster Linie die Grundeigentümer nach dem
Verhältnis ihrer in der Gemarkung veranlagten Vermögenssteuerwerte. Dieselben
können jedoch auch den Beizug der übrigen in der Gemarkung veranlagten
Steuerkapitalien verlangen). Findet ein solcher Beizug statt, oder beträgt die
Zahl der Grundeigentümer mehr als zehn, so ist für die Gemarkung ein be-
sonderer Verwaltungsrat zu bestellen, dessen Beschlüsse der Zustimmung der
Staatsbehörden bedürfen?7).
Der Bezirksrat kann auf Antrag der Beteiligten weiter bestimmen, daß die
Bewohner der abgesonderten Gemarkung gegen besondere Beitragsleistung die
von einer Nachbargemeinde pflichtgemäß erstellten Einrichtungen mitbenützen
dürfen 8).
1) St O. § 26 Abs. 3.
2) Gde. u. StO. 44.
3) Gde. u. St O. # 174—181. Früher waren die auf die abges. Gemarkungen bezüglichen
Spuschrifton dem Gesetze als „Nachtrag" beigefügt. Vgl. Ges. v. 23. Juni 1892 Art. 3 (G.u. VOl.
S. 374 ff.).
4) Vgl. dazu Wielandt#a. a. O. S. 416 ff. u. die daselbst abgedruckten Gesetzesmaterialien.
5) Nähere Begründung bes. im Hinblick auf die Bestimmungen des II. Konst. Ed. bei Dorner
BVR Polch. Bemerkung 2 zu § 13; übereinstimmend Dorner u. Seng a. a. O. S. 46.
6) Gde. O. 5 174.
7) Gde. O. ## 175. Die näheren Vorschriften über die Bildung des Verwaltungsrates erläßt
der Bezirksrat.
8) Gde. O. 5 176. Streitigkeiten über das Beitragsverhältnis gehen an d. Verwaltungsgerichte
VM Pfl G. 2 Ziff. 6 u. § 3 Ziff. 4.