Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

85 Baden als Gliedstaat des Deutschen Reichs. 9 
  
#5. Baden als Gliedstaat des Deutschen Reichs. Was die patriotische Arbeit der vor- 
ausgegangenen Jahre vorbereitet, ging im Herbste des Jahres 1870 in Erfüllung 1). Unterm 
15. November 1870 vereinbarten die Bevollmächtigten Badens in Gemeinschaft mit denen 
Hessens den Eintritt dieser beiden Staaten in den mit dem Norddeutschen Bunde gemeinsam 
zu begründenden neuen deutschen Bund. Am darauffolgenden 25. des gleichen Monats über- 
trug Baden durch eine Militärkonvention die nach der künftigen Bundesverfassung seinem Groß- 
herzoge zukommenden Rechte und Pflichten eines „Kontingents- und Kriegsherrn“ für die Zeit 
nach erfolgter Demobilisierung an den König von Preußen als Bundesfeldherrn. 
Beide Vereinbarungen fanden in dem am 13. Dezember 1870 zusammengetretenen Land- 
tage fast einmütige Zustimmung und gelangten noch am Vorabend der Reichsgründung nebst 
der für den neuen Bundesstaat in Aussicht genommene Verfassung zur amtlichen Publikation?). 
Infolge der am 1. Januar 1871 geschehenen Begründung des neuen Deutschen Reichss) 
ging ein erheblicher Teil der von Baden bisher ausgeübten Staatstätigkeit sofort oder im Voll- 
zug der abgeschlossenen Verträge in kürzester Frist ganz an den neugeschaffenen Bundesstaat 
oder an Preußen über, sodaß das Land Baden in dieser Hinsicht nur noch als Raumgebiet 
zur Betätigung der Reichsverwaltung, bezw. der Preußischen Staatsverwaltung in Betracht 
kommen kann. 
Für eine Reihe von Angelegenheiten wurde ferner die selbständige Stellung des badischen 
Staates dadurch eingeschränkt, daß hier das Reich sich das Recht zur Beaufsichtigung der Staats- 
verwaltung und zur einheitlichen gesetzgeberischen Regelung vorbehielt (Art. 4 RV.). Soweit 
das Reich von dieser letzteren Befugnis Gebrauch gemacht hat, ist Baden aus einem Staate 
zu einem bloßen Selbstverwaltskörper im übergeordneten Bundesstaat geworden, dessen selb- 
ständige Tätigkeit sich lediglich auf die Durchführung und Handhabung der vom Reiche erlas- 
senen Gesetze und Vorschriften erstrecken kann. 
Weiter ist Baden bei Streitigkeiten nicht privatrechtlicher Art mit anderen deutschen Bun- 
desstaaten oder bei Verfassungsstreitigkeiten der Entscheidung der Reichsgewalt unterworfen, 
wie auch im Falle einer Justizverweigerung die badischen Behörden der Einwirkung des Bun- 
desrates unterstellt sind. 
Kraft der dem Reiche zustehenden Befugnis zur Erweiterung seiner Zuständigkeit kann, 
soweit dies der bundesstaatliche Charakter des Reiches überhaupt noch zuläßt, die selbständige 
Tätigkeit des badischen Staates endlich auch fernerhin noch eingeschränkt oder in weiteren 
Punkten ganz ausgeschaltet werden. 
Soweit diese bisher genannten Schranken der Reichsgewalt nicht eingreifen, ist Baden je- 
doch nach wie vor zur Ausübung seiner Staatsgewalt in vollem Umfange berechtigt. 
Daher besitzt das Großherzogtum Baden auch im Verbande des neuen Reiches immer noch 
die rechtliche Eigenschaft eines Staates. Die öffentliche Gewalt, die es auf den vom Reiche 
nicht berührten Gebieten ausübt, ist keineswegs von einer höheren staatlichen Macht abgeleitet, 
sondern sie wird geübt nicht nur kraft eines eigenen, sondern kraft eines ursprünglichen Rechtes, 
das auf der geschichtlichen Tatsache beruht, daß Baden bereits ein Staat gewesen, als das 
Reich gegründet wurde. 
Wohl aber hat der badische Staat mit dem 1. Januar 1871 seine eigene Souveränetät 
verloren, da er sich innerhalb der Schranken halten muß, die eine höhere staatliche Gewalt ihm 
gesetzt hat, und da er insbesondere keine Rechtsnormen aufstellen kann, die den Vorschriften 
des ihm übergeordneten Staatswesens widersprechen (RVerf. Art. 2). Dafür hat er aber als 
Gliedstaat des neuen Reiches Anteil an der Souveränetät dieses letzteren, und deshalb kommen 
auch dem badischen Staate als einem Mitträger der Reichssouveränetät und ebenso seinem 
Landesherrn alle die Ehrenrechte zu, die souveränen Staaten und ihren Vertretern heute im 
völkerrechtlichen Verkehre zustehen. 
Im Bundesrate verfügt Baden, wie s. Z. in der weiteren Versammlung (dem Plenum) 
des alten deutschen Bundes, über drei Stimmen; zum Reichstag entsendet das badische Volk 
vierzehn Vertreter (R Verf. Art. 6). 
Als Reservatrecht wurde Baden bei der Reichsgründung die Befugnis zur selbständigen 
1) Vgl. zu der folgenden Darstelluug vor allem G. Meyer a. a. O. Kapitel 10, ferner 
v. Poschinger a. a. O. 
2) Ges.u. VOl. 1870 S. 711 u. ff. Dasselbe enthält auch die auf d. Eintritt Württem- 
bergs bezügl. Vereinbarung sowie die zwischen dem Norddeutschen Bund und Württemberg 
vereinbarte Militärkonvention. 
3) Die Vertauschung der Bezeichnung „Bund“ mit „Reich“ und die Einführung des Kaiser- 
titels wurde unterm 5. Jan. 1871 durch das G.u. VOl. (S. 1) besonders bekannt gegeben.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.