§ 69 Die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Gesetze und Verordnungen. 221
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Reichsgesetz ausgehoben wurde, die landesrechtlichen Bestimmungen nochmals aus-
drücklich außer Kraft setzte, ohne Rücksicht darauf, ob dazu durch die betreffen-
den Reichsgesetze eine spezielle Ermächtigung gegeben war oder nicht 1).
b) Ueber die richterliche Prüfung der Verordnungen besteht eine ausdrück-
liche Gesetzesbestimmung nur, insoweit es sich um das Gebiet der Polizei han-
delt. Der § 24 PolStr GB. verfügt in dieser Hinsicht: „Keine Verordnung darf
mit Gesetzen, keine orts= oder bezirkspolizeiliche Vorschrift darf mit Gesetzen oder
mit den über denselben Gegenstand zulässigen Verordnungen oder zuständig er-
lassenen Vorschriften einer höheren Behörde in Widerspruch stehen.
Die Polizeigerichte können zwar die gesetzliche Gültigkeit, nicht aber die Not-
wendigkeit oder Zfveckmäßigkeit polizeilicher Verordnungen oder Vorschriften
ihrer Prüfung unterziehen.“
Damit ist nicht nur ein für die richterliche Prüfung der Verordnungen
ohnedies schon geltender allgemeiner Grundsatz bezüglich der Polizeiverordnungen
nochmals ausdrücklich anerkannt, sondern es ist für die Prüfung der letzteren,
da das Gesetz keine Unterscheidung macht, dem Richter zugleich die Befugnis
verliehen, außer den materiellen Voraussetzungen der Rechtsgültigkeit auch die
formellen Bedingungen des Zustandekommens einer Verordnung oder Vorschrift
nachzuprüfen. Bei polizeilichen Verordnungen hat deshalb die von der ver-
ordnenden Behörde aus erfolgende Konstatierung der Erfü'lung der Sanktionser=
sordernisse dem Prüfungsrechte des Richters gegenüber keineswegs einen unan-
fechtbaren Bestand 2). Eine zwingende Veranlassung, diese Sondervorschrift auch
auf Rechtsvorschriften anderer Art auszudehen, besteht jedoch nicht. Deshalb ist bei
diesen der in ihrer Ausfertigung enthaltenen Konstatierung der Formrichtigkeit
des Verfahrens die gleiche rechtliche Bedeutung beizumessen, wie der förmlichen
Ausfertigung des Gesetzes.
Die von mancher Seite vertretene Ansicht, daß die nicht unter das
Pol StrGB. fallenden Rechtsvorschriften, insoweit sie sich als Verordnungen dar-
stellen, dem richterlichen Prüfungsrechte überhaupt entzogen seien 3), weil hier,
mangels einer gesetzlichen Spezialvorschrift, der § 67 Verf.-Urk. zur Anwendung
gelange, der eine Nachprüfung ausdrücklich nur den Ständen gestatte, übersieht,
daß es sich bei der gegen den formellen Bestand einer Verordnung erhobenen
Reklamation der Stände um etwas ganz anderes handelt als bei der vom
Richter in seiner Urteilsbegründung vorgenommenen Feststellung, daß eine formell
noch bestehende Norm in materieller Hinsicht seinem Spruch nicht zugrunde
gelegt werden könne.
Nicht begründet im Gesetze ist auch die von den Auslegern des PolStr G.
behauptete weitgehende Beschränkung des richterlichen Prüfungsrechtes gegenüber
den polizeilichen Notverordnungen, welche nur noch eine Kontrolle der Zustän-
digkeit, der gehörigen Publikation und des angewendeten Strafrahmens übrig
1) Diese Praxis wurde besonders bei Einführung der RzJustizgesetze im Jahre 1879, sowie
bei der Einführung des BGB eingehalten. Gegen das erste Vorgehen wandte sich vor allem das
Gutachten v. Renand. Vgl. Laband, StR. d. DR. in Bd. I dieses Werkes S. 135.
2) Bgl. Thom ag. a. O. S. 441 u. ff.
3) Vgl. die Mitteilungen bei Dorner und Senga. a. O. S. 14 und bei Glockner S. 154.