228 Die Verwaltung. Allgemeines. § 71
Gebiet der Finanzverwaltung ist die Verf.-Ordnung in neuester Zeit ausdrück-
lich als maßgebend erklärt worden, soweit es sich um die Geltendmachung von
Beschwerden gegen Verfügungen oder Entscheidungen der Finanzbehörden handelt,
im Verkehrssteuergesetz; eine analoge Vorschrift bestand im Gesetze über die Er-
hebung der Erbschafts= und Schenkungssteuer 1).
1. Der oberste Grundsatz der Verf.-Ordg. ist der, daß die Verwaltungsbe-
hörden, soweit nicht Spezialvorschriften etwas anderes bestimmen, alle Tatsachen,
die für ihr Handeln von Erheblichkeit sein können, von Amts wegen zu er-
forschen und festzustellen haben. Sie dürfen sich deshalb nicht einfach an das-
jenige halten, was ihnen von anderer Seite vorgetragen wird, sondern sie ha-
ben von sich aus zu prüfen, welche Interessen mit in Frage kommen können.
Sie können deshalb insbesondere, wenn nötig unter Anwendung der staatlichen
Zwangsgewalt, Zeugen und Auskunftspersonen vorladen. Sie können auch ver-
langen, daß diejenigen Personen, die ihnen ein Gesuch vorgetragen haben, eben-
so diejenigen Personen, deren Rechte durch die zu fassende Entschließung berührt
werden können, oder denen kraft besonderer Bestimmung von dem eingeleiteten
Verfahren Kenntnis zu geben ist, die sogenannten „Beteiligten“ persönlich er-
scheinen. Die Beteiligten können ihrerseits aber auch fordern, daß sie in dem
Verfahren zugezogen und daß ihre Interessen einer Würdigung unterworfen
werden.
2. Oertlich zuständig ist diejenige Bezirksbehörde, in deren Bezirk
die ergehende Entschließung zu vollziehen oder die in Anspruch genommene Be-
fugnis auszuüben wäre 3). Ist es jedoch zum Vollzug gekommen, so bildet der
Umstand, daß die Entschließung von einer unzuständigen Behörde ergangen, keinen
Anfechtungsgrund.
3. Die Verwaltungsbehörden sind verpflichtet, alle auf gepflogenes Ver-
fahren ergehenden Entschließungen schriftlich zu begründen und den Beteiligten
mit der Begründung zuzustellen oder zu Protokoll zu eröffnen 4). Der Vollzug
der Zustellungen ist durch besondere Verordnungen näher geregelt 5).
Beruht das Interesse eines Beteiligten auf dem Besitze einer Liegenschaft,
so gilt die Zustellung eventuell auch gegen den Nachbesitzer ).
Den Beteiligten ist weiter ausdrücklich das Recht eingeräumt, selbst oder
durch ihre Vertreter die amtlichen Akten einzusehen und die geeignet erschei-
nenden Anträge zu stellen ?).
1) Ges. v. 6. Mai 1899 (G.u. VOl. S. 133) 5+ 41 und Vollz. VWO. vom 8. Dezemb. 1899 (G. u.=
VOBl. S. 829) 8 90.
2) Bei Wahlanfechtungen in der Gemeinde hat der V. nicht nur die Antragsteller, sondern
auch den Gemeinderat und die Gewählten als Beteiligte erklärt. Urt. v. 14. Juli 1904 (Zeitschr.
1905 S. 54).
3) Verf.O. § 2. Sind mehrere Bezirksämter zuständig, so entscheidet im Streitfalle das Min.
d. J., darüber, wer die Sache zu behandeln hat.
4) Aus Gründen des öffentlichen Interesses kann jedoch von der Mitteilung der Gründe Um-
gang genommen werden. Verf. O. F 3.
5) VO. vom 21. Nov. 1884 (G.u. VOl. S. 401).
65 Verf. O. §§ 5 u. 6.
7) Verf. O. 5 7. Vertreter, die das mündliche Verhandeln vor Behörden gewerbsmäßig betreiben
und nicht Rechtsanwälte sind, können zurückgewiesen werden. Ebenso kann aus Gründen des öffent-
lichen Interesses die Akteneinsicht verweigert werden.