Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

§ 72 Das Verwaltungsstreitverfahren. 235 
  
Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshofe aber auch ganz unabhängig von der 
materiellen Parteistellung des Staates allgemein vor, indem es dem Verw.-Ger.= 
Hofe die Pflicht auferlegt, vor seinen Entscheidungen einen Bevollmächtigten des 
zuständigen Ministeriums als Vertreter des Staatsinteresses zu 
hören. Dieser Bevollmächtigte kann in der mündlichen Verhandlung Anträge 
stellen, auch sind ihm die Akten zur vorherigen Einsicht mitzuteilen, sowie die er- 
gangenen Endurteile zu behändigen 1). 
Wenn der Rechtsstreit zwischen zwei Parteien bereits begonnen, besteht die 
Möglichkeit, noch weitere Beteiligte, nämlich Dritte, deren Interesse 2) durch die 
zu erlassende Entscheidung berührt wird, im Wege der Beiladung in den 
Prozeß der Parteien miteinzubeziehen. Eine solche Beiladung kann nur 
vom Gerichte aus erfolgen entweder auf Antrag einer Partei oder von Amts 
wegen. Ein Recht zur freiwilligen Intervention besteht nicht, ebensowenig eine 
Verpflichtung des Beigeladenen, der an ihn ergangenen Aufforderung Folge zu 
leisten. Tritt der Beigeladene in den Rechtsstreit ein, so erhält er die Stellung 
einer Partei. Das ergangene Urteil wirkt aber auch dann gegen ihn, wenn 
er dem Rechtsstreite ferngeblieben. Im Hinblick auf diese Wirkung ist dem Bei- 
geladenen die Befugnis gewährt, gegen die Beiladung das Rechtsmittel der Be- 
schwerde zu erheben ). 
5. Die leitenden Grundsätze des verwaltungsgerichtlichen Ver- 
fahrens sind: 
a) Die Parteien haben Anspruch auf rechtliches Gehör; kein Tatumstand 
oder Beweismittel darf der richterlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden, 
ohne daß den Parteien nicht Gelegenheit gegeben war, sich darüber zu äußern. 
b) Die Verhandlung der Parteien über den Rechtsstreit ist eine mündliche 
und geschieht in öffentlicher Sitzung, Anwaltszwang besteht nur für die münd- 
liche Verhandlung vor dem Verw. G. Hofe y. 
Jc) Die Tätigkeit des Gerichtes darf sich nur erstrecken auf die von den Par- 
teien vorgebrachten Streitpunkte. 
d) Bei der Erforschung der für die Beurteilung dieser Streitpunkte maßgeben- 
den Tatsachen, sowie bei der Erhebung der Beweise sind die Verwaltungsgerichte 
jedoch an die Anträge der Parteien nicht gebunden. 
e) Ein Versäumnisverfahren findet nicht statt. Bleibt eine Partei aus, so 
wird nach Lage der Sache erkannt; selbst beim Ausbleiben beider Parteien muß 
in der Sache selbst entschieden werden, wenn die Entscheidung nach „Lage der 
Akten“ von einer Partei beantragt ist 5). 
1) §8 des Ges. Eine förmliche Staatsanwaltschaft besteht bei den Verwaltungsgerichten nicht. 
In der bezirksrätlichen Instanz wird die Vertretung des Staatsinteresses durch das dem Vorsitzen- 
den eingeräumte Recht zur Berufungseinlegung erreicht. 
2) 5 des Ges. Gemeint ist das rech tlich geschützte Interesse, soweit es event. selbst Gegen- 
stand eines Rechtsstreites werden kann. Einzelfälle uvgl. bei Wieland, Rechtspr. Bd. I No. 133, 
134 und Bd. II No. 50—52. 
3) Das gleiche Rechtsmittel steht der die Beiladung verlangenden Partei zu, wenn ihrem 
Antrage nicht entsprochen wird. § 40 Abs. 1 Ziff. 1 des Ges. 
4) Der Staat und die öffentlichen Körperschaften können durch ihre rechtsgelehrten Beamten 
vertreten werden. 5 12 Abs. 1 des Ges. 
5) Vgl. zum obigen die 55 5 u. 6, für das bezirksrätliche Verfahren § 26, für das Verfahren 
vor dem VH. in nachträglichen Verwaltungsstreitsachen § 41 Ziff. 7 des Ges.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.