872 Das Berwaltungsstreitverfahren. 237
Ueber die Erlassung der Beschlüsse und Verfügungen im Verwaltungsstreitver-
fahren bestehen keine besonderen Formvorschriften.
Das ergangene Urteil besitzt, soweit es durch ein ordentliches Rechtsmittel
nicht mehr angefochten werden kann, volle Rechtskraft. Es findet daher aus
dem Urteil nicht nur, sofern sich dessen Inhalt dazu eignet, die Vollstreckung
statt, sondern die den Gegenstand der Richterspruchs bildende Streitfrage ist zu-
gleich auch in einer die Parteien bindenden Weise entschieden. Da das Gesetz
eine Trennung der Urteilsformel von dem übrigen Inhalt des Urteils ausdrück-
lich vorschreibt, so kommt als Richterspruch auch nur der Inhalt der Urteilsformel
in Betracht. Ist in einem Prozesse der Staat die streitende Partei, so wirkt
das Urteil nicht nur gegen die in der Parteirolle aufgetretene Behörde, sondern
gegen alle staatlichen Organe. Selbstverständlich geht aber in all den Fällen,
wo der Gegenstand des Streites durch die Frage der Abgrenzung der Staats-
gewalt gegenüber dem Rechtskreis des Einzelnen gebildet wird, die Bindung
nicht soweit, daß es der Staatsgewalt nicht freistünde, ihre als rechtsbeständig
anerkannte Verfügung nachträglich zurückzuziehen. Ebensowenig ist es anderer-
seits aber auch dem Staate benommen, durch Aenderung der Gesetzge-
bung in verwaltungsgerichtlich rechtskräftig entschiedene Verhältnisse einzugrei-
fen 1), wie auch eine nachträgliche Veränderung der tatsächlichen Grundlagen
des ergangenen Urteils dem letzteren seine Kraft wieder zu entziehen vermag2).
Eine Ausdehnung der Rechtskraft über die im Streit aufgetretenen Parteien
und ihre Rechtsnachfolger hinaus tritt im verwaltungsgerichtlichen Prozeß im
früher erwähnten Falle der Beiladung ein, wenn der Geladene am Streit nicht
teilnimmt. Ueberdies sind im verwaltungsgerichtlichen Verfahren diejenigen Fälle
besonders zahlreich, bei denen es sich um die Feststellung einer rechtlichen Eigen-
schaft, des Statusverhältnisses, einer Person handelt, wo das Urteil auch im Zi-
vilrecht nicht nur ius facit inter partes sondern inter omnes.
Der Eintritt der Rechtskraft erfolgt für die Erkenntnisse des Bezirksrates mit
Ablauf der Berufungsfrist 3), für die Urteile des Verw. G. Hofes sofort mit deren
Ausspruch.
Die ordentlichen Rechtsmittel des Gesetzes sind die Berufung und
die Beschwerde.
Die erstere eröffnet vor dem Obergerichte eine neue Verhandlung über den
gesamten Rechtsstreit, wie er durch die Anträge der Parteien in erster Instanz
begrenzt worden. Für das Berufungsverfahren gelten deshalb im wesentlichen
die gleichen Grundsätze wie für das Verfahren in erster Instanz 1)). Hervorzuheben
ist folgendes:
Die Notfrist zur Einlegung der Berufung beträgt einen Monat. Die Einle-
gung selber kann sowohl beim Vorsitzenden des Bezirksrates wie beim Verw. G. H
1) Vgl. Urt. des VG. v. 17. März 1879. Wielandt, Rechtspr. S. 93 und Otto Mayer,
D. Verw. Rt. Bd. I S. 209.
2) Es liegt dann nicht mehr dieselbe Sache vor. VGH. v. 20. Juni 1865 u. 14. März 1871.
Wielandt, Rechtspr. 1 Nr. 143. Vgl. auch die Entsch. unter Nr. 141, 142, 145, 146.
3) & 44 des Ges.
4) 8 32—39 des Ges.