§ 8 Die Staatsangehörigen u. d. Fremden. Erwerb u. Verlust d. Staatsangehörigkeit. 15
Einen tiefgehenden Eingriff in die Befugnisse der badischen Staatsgewalt
gegenüber den im Lande weilenden Nichtbadenern brachte die Einführung der
Reichsverfassung infolge des in ihrem Art. 3 für ganz Deutschland begrün-
deten gemeinsamen Indigenates. Kraft desselben wurden nicht nur alle die-
jenigen Vorschriften, welche in den durch Art. 3 benannten Verhältnissen für
die Nichtbadener eine ungünstigere Behandlung vorsahen als für die Einheimi-
schen, bezüglich der im Reichsverbande stehenden physischen Personen aufgehoben,
sondern auch der Landesgesetzgebung auf dem ihrer Autonomie überlassenen Ge-
biet für die Zukunft eine Schranke auferlegt, so daß seitdem die reichsangehörigen
Fremden den außerdeutschen Fremden als eine besondere Klasse gegenüber stehen.
Von den Badenern unterscheiden sich die ersteren nur noch hinsichtlich der
Ausübung gewisser politischer Rechte, für welche der Besitz der badischen Staats-
angehörigkeit ausdrücklich vorgeschrieben ist. Sie sind ausgeschlossen von der
Wahl und der Wahlfähigkeit zum Landtag, zur Kreisverwaltung und Kreisver-
tretung, von der Uebernahme des Amtes eines Bezirksrates und eines Mit-
glieds der Stiftungsräte. Bezüglich der Ausübung des Gemeindewahlrechtes
und der Fähigkeit zur Uebernahme von Gemeindeämtern sind die Reichsange-
hörigen heute den Badenern grundsätzlich gleichgestellt 1).
s8. Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit. Durch Abschnitt 8
des VI. Konstitutionsediktes wurde das badische Staatsbürgerrecht allen den-
jenigen zugesprochen, „die in denen zum Großherzogtum gehörigen Landen bei
dem Vollzug der Rheinischen Bundesakte als Standesherren, Grundherren oder
als hohe und niedere Staatsdiener, in gleichen als Bürger, Hintersassen oder
Schutzverwandte oder endlich als von ihren Renten ohne Staatsbeschäftigung
lebend, wohnhaft waren und nicht ihre Hauptwohnung oder ihr wirkliches
Bürgerrecht damals zugleich in einem anderen Staat hatten“.
Neuerworben werden konnte das Staatsbürgerrecht durch Heirat, durch Ein-
geborenheit (bei unehelicher Abstammung jedoch nur, wenn die Geburt im Lande
stattgefunden, unter der letzteren Voraussetzung auch bei Geburt von einer im
Lande ausgenommenen heimatlosen Fremden), durch ausdrückliche Aufnahme
(Erteilung eines Einzugsbriefes) und durch zehnjährigen ehrlichen Aufenthalt
im Lande. Letztgenannter Erwerbsgrund wurde später durch Gesetz vom
17. März 1854 wieder aufgehoben.
Verloren ging dasselbe durch ausdrückliche Aufsage und durch „Entschlagung“,
d. h. Vornahme gewisser Handlungen, mit denen die Absicht einer Beibehal-
tung der Staatsangehörigkeit unvereinbar erschien: Annahme eines aus-
wärtigen Staatsbürgerrechtes, Heirat in's Ausland, Erschleichung einer gesetz-
1) Verf. Urk. #5# 32 a, 34 Verwalt. Ges. §§ 2, 29, 37. Stiftgs. Ges. § 21 Gde. Ordg. 5 9a,
12. St. Ordg. 88 7 a 12, 13. In den beiden letzten Gesetzen ist indessen vorgeschrieben, daß
der zum Gemeindevorsteher Gewählte, wenn er die Wahl annehmen will, event. die bad. Staats-
angehörigkeit nachträglich erwerben muß. Eine allgemeine Bevorzugung der Badener besteht
im Gemeinderecht nur noch bezügl. des Erwerbs des in der Gde. Ordnung beibehaltenen Orts-
bücherrechtes, das jedoch im wesentlichen nur für die Teilnahme am Almendgenuß und für
das Aufenthaltsrecht von Bedeutung ist. Gde. Ordg. § 42, 70, 104 ff. Bürgerrechtsgesetz vom
31. Dez. 1831 K 20. Uufenthaltsgel. vom 5. Mai 1870 *)i Für die Mitgliedschaft im
Schatzungsrat ist seit dem Ges. v. 6. August 1890 der Besitz der bad. Staatsangehörigkeit kein
Erfordernis mehr.