258 Die Verwaltung der Finanzen. Die staatliche Finanzverwaltung. § 79
Analoge Vorschriften gelten für die Erhebung der Forderungen der Amts-
kassen. (VO. des Min. der Justiz usw. vom 18. Juli 1900 1). Hier sind eben-
falls die Steuereinnehmereien im Zweifel zuständig; es werden allgemein
Forderungszettel zugestellt, eine besondere Mahnung wird jedoch nicht vorge-
nommen.
Die Verjährung der öffentlichen Abgaben tritt allgemein, sofern nicht
durch Gesetz eine kürzere Zeit bestimmt ist, in fünf Jahren ein. Gleiches gilt
für die Forderung auf Rückgewähr wegen ungebührlich bezahlter Abgaben. Im
übrigen finden auf die Verjährung die Grundsätze des BGB. Anwendung.
Nur wird eine Unterbrechung der Verjährung gegenüber dem Abgabepflichtigen
auch durch eine urkundliche Aufforderung zur Zahlung seitens der zuständigen
Stelle bewirkt und gegenüber dem Staate durch eine bei dem zuständigen Be-
amten oder bei einer demselben vorgesetzten Behörde angebrachte Rückforderung 2).
Streitigkeiten über Staatsabgaben werden in erster und letzter Instanz vom
Verw GerHof entschieden 3).
I. Die direkten Steuern.
#5*# 79. Geschichtliche Entwickelung 1). Bei der ersten Organisation des Staates
wurde das System der unter dem Namen der direkten Steuern oder Schatzungen
zusammengefaßten staatlichen Abgaben, die heute noch im Vordergrund der ganzen
Abgabenordnung stehen, zunächst aufgebaut auf der Grundlage der Objekt= oder Er-
tragsbesteuerung. Gegenstand der steuerlichen Behandlung waren im wesentlichen
die Erträgnisse der verschiedenen Arten des Grundbesitzes, des Geldkapitals und der im
Lande vorhandenen Gewerbebetriebe, ohne Rücksicht auf die Bedeutung, welche die
Erträgnisse dieser Objekte für das Vermögen ihrer Empfänger besaßen. Nur in ganz
beschränktem Umfange wurde bei der Ausgestaltung des Systems an die subjektive
Seite angeknüpft. Entsprechend der Verschiedenheit der Quellen des Ertrages er-
folgte die steuerliche Erfassung des letzteren durch eine Mehrzahl von selbständigen
nebeneinanderhergehenden Vorschriften, welche eine Reihe von besonderen Steuern
ins Leben riefen: eine Grundsteuer, den landwirtschaftlich genutzten Boden und die
Waldungen erfassend; eine Häusersteuer; eine Gewerbesteuer; eine als bescheidener
Ansatz zu einer Einkommensteuer sich darstellende Klassensteuer und eine das nicht in
den Gewerben verwendete bewegliche Kapital ergreifende Kapitalsteuer 5).
Die mannigfache Veränderung der Verhältnisse veranlaßte im sechsten und sie-
benten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts zunächst eine Reform der Grund-
und Häusersteuern, die dann in ihrer damals festgelegten Art und Weise bis in die neueste
Zeit unverändert erhalten blieben 5).
1) (G.u. VOBl. S. 865). Beim Vollzug ist hier „auf den persönlichen Ruf sowie auf die wirt-
bun Familienverhältnisse der Zahlungspflichtigen tunlichste Rücksicht zu nehmen".
er
2) Gesetz v. 21. Juli 1839 (Reg. Bl. S. 175) in der durch das Gesetz v. 17. Juni 1899 (AG.
zum BG.) bewirkten und im G.u. VOl. unterm 26. Sept. gleichen Jahres veröffentlichten Fas-
sung (S. 494). Das Gesetz gilt auch für die Gemeinde abgaben.
3) VRfl Ges. § 3 Ziff. 1.
4) Vgl. hierzu noch Max Boigtel, Die direkten Staats= und Gemeindesteuern in Baden
1806—1901; G. Fischer, Jena 1903.
5) Grundsteuerordnung v. 20. Juli 1810, Häusersteuerordnung vom 18. Sept. gleichen Jahres,
Gewerbesteuerordnung v. 16. April 1815, alle in Sonderausgaben erschienen. Ges. v. 10. Juli 1837,
dem im Jahre 1820 eine „vorübergehende“ Vorschrift als Verordnung vorausgegangen war, über
die Klassensteuer und Ges. v. 4. Juli 1848 über die Kapitalsteuer, abgeändert durch Ges. v. 30. März
1850.
6) Ges. v. 23. März 1854 über die Neukatastrierung der Waldungen; v. 7. Mai 1858 über die
Neukatastrierung des landwirtschaftlichen Geländes und v. 26. Mai 1866 über die Neukatastrierung
der Gebäude.