Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

260 Die Verwaltung der Finanzen. Die staatliche Finanzverwaltung. 8 80 
  
Von tiefgehender Bedeutung für die Ausgestaltung des ganzen Systems der di- 
rekten Staatsabgaben war endlich die durch das Gesetz vom 28. Sept. 1906 1) bewirkte 
Einführung einer Vermögenssteuer. 
Von den alten Ertragssteuergesetzen hatten diejenigen über die Kapitalrenten- 
steuer und über die Gewerbesteuer im Jahre 1900 noch in einzelnen Bestimmungen 
eine Abänderung erfahren; durch ein Gesetz vom 8. Mai 1899 2) war eine selbständige 
Regelung der Besteuerung des Wandergewerbes vorgenommen worden; die Miß- 
stände, die dem vorhandenen Steuersystem anhafteten, ließen eine Reform aber trotz- 
dem als unvermeidlich erscheinen s). 
Das neue Gesetz, das am 1. Jan. 1908 in vollem Umfange in Kraft trat, faßte die 
Grund= und Häusersteuer, die Kapitalrenten- und die Gewerbesteuer zu einer einheit- 
lichen, an den Verkehrswert der einzelnen Vermögensbestandteile sich anlehnen- 
den Steuerform zusammen und ließ nur die Wandergewerbesteuer weiter bestehen. Der 
Grundsatz der Vermögensbesteuerung wurde jedoch nicht strenge durchgeführt, da ein 
Schuldenabzug nur bis zur Hälfte des veranlagten Vermögens gestattet wurde, die 
Haushaltungsfahrnisse ganz außer Betracht gelassen, der Landwirtschaft weitgehende 
Konzessionen gemacht und andererseits das Gewerbesteuerkapital progressiv besteuert 
wurde. 
Zur Vorbereitung des neuen Gesetzes wurden zwei Teilgesetze erlassen, vom 3. 
Aug. 1898 über die Revision der Klasseneinteilung des landwirtschaftlichen Geländes ") 
und vom 9. Aug. 1900 über die Einschätzung der Grundstücke und Gebäude 5), deren 
Inhalt im neuen Gesetze mit verarbeitet wurde. 
In Baden bestehen daher, abgesehen von der nur spezielle Verhältnisse treffenden 
Wandergewerbesteuer nur noch zwei direkte Steuern, die Einkommenssteuer und die 
Vermögenssteuer 5). 
§ 80. Die Einkommenstener 7). 1. Gegenstand dieser Steuer ist nicht 
die Gesamtheit der einer Person zufließenden Vermögenswerte, sondern nur 
dasjenige während eines Jahres bezogene Einkommen, welches aus den im 
Gesetze selbst bezeichneten Quellen herrührt, nämlich: 1. aus Grundstücken, Ge- 
bäuden, Grundrechten und Grundgefällen, sowie aus dem Betrieb der Land- 
und Forstwirtschaft; 2. aus dem Betrieb eines Gewerbes, einschließlich des 
Handels und Bergbaues; 3. aus einem öffentlichen oder privaten Dienstver- 
hältnis, aus einem wissenschaftlichen oder künstlerischen Beruf oder irgend einer 
andern, nicht schon unter Ziff. 1 und 2 begriffenen Art von auf Gewinn ge- 
richteter Tätigkeit; 4. aus Kapitalvermögen, Renten und anderen Bezügen). 
Nicht zum steuerbaren Einkommen gehören daher diejenigen Einnahmen, 
die sich nicht als der Ausfluß einer der genannten Erträgnisquellen, sondern 
pflicht der Konsumvereine aufgehoben. Dieselbe wurde dann durch die Novelle des Jahres 1900 
wieder von neuem ausgesprochen. 
1) G.u. VOl. S. 421. 
2) G.u. VOl. S. 117, geändert durch das Gesetz v. 9. Aug. 1900 (S. 877) Art. 3. 
3) Besonders fühlbar machten sich: die Unbeweglichkeit der liegenschaftlichen Kataster, das 
Verbot jedweden Schuldenabzuges bei der Grund= und Häusersteuer und die verhältnismäßig 
stärkere Belastung des gewerblichen Vermögens. 
4) G.u. VOl. S. 377. 
5) G.u. VOl. S. 887. 
6) Das Erträgnis der ersteren ist für die Budgetperiode 1908/9 auf jährlich 15 600 505 M., 
das der letzteren auf jährlich 9 215.000 M. veranschlagt. 
7) Das Ges. v. 20. Juni 1884 ist in der Fassung, die es durch die Gesetze v. 6. Mai 1892, vom 
26. Juni 1894 und v. 9. Aug. 1900 erhalten, auf Grund besonderer gesetzlicher Ermächtigung durch 
Bekanntmachung des Finanz-Min. im G.u. VOl. 1900 S. 991 u. ff. neu veröffentlicht worden. 
Zur näheren Ausführung desselben erging unterm 6. Februar 1901 eine neue Vollz. BO. desselben 
Ministeriums (G.u.VOl. S. 228). Einen eingehenden Kommentar des Gesetzes gibt Zimmer- 
mann, Das bad. Eink. StG. Karlsruhe 1907. J. Lang. 
8) Art. 2 des Ges., §§ 2—6 der Vollz. VO.
	        
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