16 Die natürlichen Grundlagen des Staates. Das Staatsvolk. 89
widrigen Trauung, beharrliche Landflüchtigkeit und richterlicher, unbefolgt ge-
lassener, Heimruf.
Heute bestimmen sich der Erwerb und der Verlust der badischen Staats-
angehörigkeit im wesentlichen nach reichsrechtlichen Vorschriften. Der Erwerb der
Staatsangehörigkeit in einem andern deutschen Staate ist auf den Bestand des
badischen Staatsbürgerrechtes nicht mehr von Einfluß; wohl aber wird in der
Praxis noch an dem Grundsatze festgehalten, daß einem Reichsausländer die
badische Staatsangehörigkeit, auch wenn dies nicht durch besondere völkerrecht-
liche Abmachungen ausdrücklich vorgeschrieben ist, nur dann verliehen wird, wenn
derselbe aus seinem bisherigen Staatsverbande ausgeschieden ist.
Von der Absicht, Kollisionen, wie sie sich aus der Gemeinschaftlichkeit ver-
schiedener Staatsangehörigkeiten ergeben können, zu vermeiden, geht auch der
durch den Vorbehalt des § 21 Abs. 3 des RG. vom 1. Juni 1870 gedeckte
Vertrag Badens mit den Vereinigten Staaten von Nordamerika vom 19. Juli
1868 aus, der bestimmt, daß die Badener, welche fünf Jahre in den Vereinig-
ten Staaten zugebracht und das amerikanische Bürgerrecht erworben haben, die
Staatsangehörigkeit verlieren 1).
Die Ausstellung der Aufnahmeurkunde für einen Ange-
hörigen eines andern deutschen Bundesstaates und für einen in das Bundes-
gebiet zurückgekehrten Deutschen, der seine Staatsangehörigkeit durch zehnjährigen
Aufenthalt im Auslande verloren hat, ebenso die Ausstellung der Entlassungs-
urkunde erfolgt durch das Bezirksamt des Wohnsitzes.
Die Naturalisationsurkunde für einen Ausländer wird vom Landeskommis-
sär erteilt, in dessen Dienstbezirk der Aufzunehmende sich niederlassen will 2).
Für die Ausstellung der Naturalisationsurkunde gelangt eine Taxe von 25 bis
50 Mark zur Erhebung. Geschieht die Verleihung der Staatsangehörigkeit an eine ganze
Familie, so sind die noch unter der elterlichen Gewalt stehenden Kinder taxfrei 3).
Ueber den Anspruch auf Staatsangehörigkeit, auf Aufnahme in den Staats-
verband und auf Entlassung aus dem Staatsverbande in Friedenszeiten entschei-
det zunächst der Bezirksrat als Verwaltungsbehörde. Gegen dessen Entschließung
ist der Rechtsweg beim Verwaltungsgerichtshofe eröffnet, der in erster und letzter
Instanz zu erkennen hat 4).
§s 9. Die Pflichten der Staatsangehörigen. Die Pflichten der badischen
Staatsangehörigen ergeben sich aus dem Gesamtinhalt der Rechtsvorschriften, die
das Verhältnis des Einzelnen zum Staat bestimmen. Eine erschöpfende Aufzäh-
#1) Der sog. Bancroftvertrag Badens mit dem Vöt. von N. (G.u. VOl. 1869, S. 579).
Die Bestimmung, welche sich in den zwischen den Ver. Staaten und anderen deutschen Staaten
abgeschlossenen Verträgen findet, wonach bei Rückkehr des Ausgewanderten der deutsche Staat
den Ausgewanderten, wenn derselbe sich zwei Jahre hindurch wieder in der alten Heimat auf-
gehalten hat, nicht mehr als Amerikaner, sondern als seinen Angehörigen anzusehen hat, gilt
für die Badener, die nach dem Großherzogtum zurückgekehrt sind, nicht. Diese letzteren können
„nicht angehalten werden, in die alte Staatsangehörigkeit zurückzutreten“, vgl. Dorner, Bad.
RPG. S. 561. Die Rechtsgültigkeit des bad. Bancroft-Vertrages bestreitet L. Bendix.
Fahnenflucht und Verletzung der Wehrpflicht durch Auswanderung; Leipzig 1906.
2) Ldh. VO. v. 28. Dezemb. 1870 (G.u. VOl. S. 759); VO. des MDJ. vom 14. Juni
1888 (G.u. BOBl. S. 292); ldh. VO. vom 25. Okt. 1896 (G. u. VOl. S. 361).
3) Verw. Geb. Ges. v. 4. Juni 1888 (Fassung 1895) § 25, Ziff. 9, RGes. 24.
4) VR Pfl G. s 3 Ziff. 26.