Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

§ 9 Die Pflichten der Staatsangehörigen. 17 
  
lung derselben hätte die Darstellung des gesamten badischen Staatsrechtes zur 
Voraussetzung. 
Das VI. Konstitutionsedikt hatte den Versuch unternommen, wenigstens eine 
übersichtliche Beschreibung der wesentlichsten Pflichten zu geben. Die Verfassungs- 
urkunde hat sich jedweder Normierung enthalten. 
Will man die Pflichten der Angehörigen des Staates in einem Satze zu- 
sammenfassen, so kann dies nur in der Weise geschehen, daß man sagt: die zum 
Staate vereinigten Individuen sind der Gewalt des Staates unterworfen und 
deshalb verpflichtet, alles zu unterlassen, was der Staat verbietet und alles zu 
tun, was derselbe verlangt. 
Diese Pflicht zum Gehorsam gegen den staatlichen Willen bildet auch 
den Ausgangspunkt der im VI. Konst.-Edikt aufgezählten Pflichtenreihe, und sie 
ist auch ausdrücklich in die gesetzliche Formulierung des auf Grund jener Bestim- 
mung des Konst.-Ediktes von den Staatsangehörigen verlangten Huldigungseides 
mit ausgenommen worden 1). 
Selbstverständlich besteht diese Gehorsamspflicht nur insoweit, als die in Frage 
kommende Willensäußerung der staatlichen Organträger auch wirklich als eine 
Willenserklärung des Staates, als eine gesetzmäßige anzusehen ist. Dies ist dann 
nicht mehr der Fall, wenn dem betreffenden Organe die örtliche oder sachliche 
Zuständigkeit fehlt, oder wenn es die für die Gültigkeit seiner staatlichen Hand- 
lungen vorgeschriebenen Form nicht beachtet. Gegenüber solchen Handlungen be- 
sitzt der Einzelne eventuell das Recht zur Notwehr, wogegen ihm, wenn es sich 
um formell gültige Staatswillenserklärungen handelt, falls er deren materielle 
Berechtigung bestreitet, kein anderes Schutzmittel zur Verfügung steht als die 
Ergreifung der im Einzelfall zugelassenen Rechtsbehelfe. Sind solche nicht mehr 
zur Verfügung, so ist die bestrittene Entschließung des Staatsorganes für den da- 
durch Betroffenen bindend, mag es sich um ein rechtskräftiges Urteil handeln 
oder um einen unanfechtbar gewordenen Verwaltungsakt. Sie ist für ihn eine 
gesetzmäßige 2). 
Die Verpflichtung zum gesetzmäßigen Gehorsam besteht nicht nur für die im 
Staate lebenden Inländer, sondern, wie bereits erwähnt, ebenso auch für die im 
Inlande verweilenden Fremden. Sie erfaßt die Staatsangehörigen überdies, so- 
weit hier eine Geltendmachung der Staatsgewalt in Frage kommen kann, auch 
solange sie außerhalb der Landesgrenzen sich aupfhalten. 
Ausschließlich von den zum Staate gehörenden Personen, von den Badenern, 
verlangt das Gesetz über den Huldigungseid auch die Versicherung der Treue. 
Sie wird dem „Großherzoge“ geschuldet und „der Verfassung“. Das Schwergewicht 
dieser Treupflicht liegt außerhalb des Gebietes des Rechtes. Für das letztere 
1) Ueber diesen Eid vgl. das Ges. vom 7. Januar 1848 (Reg. Bl. S. 167) und unten im 
Texte der Darstellung. 
2) Dies gilt auch, wenn dem Einzelnen der Nachweis gelänge, daß die Norm, welche gegen 
ihn zur Anwendung gebracht ist, mit einem Gesetze in Widerspruch stünde. „Der Untertan 
darf sich nicht als Instanz über die Obrigkeit aufwerfen“ (v. Seydel). Noch weniger darf 
derselbe einem Gesetze gegenüber den Gehorsam mit der Begründung verweigern, daß dieses 
Gesetz der VBerfassung widerspreche und die Form einer Verfassungsänderung nicht erfüllt 
habe. 
Walz, Baben. 2
	        
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