Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

§ 90 Der Staatsvoranschlag. 285 
  
Die rechtliche Stellung der Stände ist jedoch bei dieser Beschlußfassung keines- 
wegs eine gleiche. Handelt es sich um Einnahmen des Staates, die demselben aus der 
bestimmungsgemäßen Nutzung seines Vermögens zufließen, oder deren Grundlagen 
und Maß im einzelnen bereits durch Gesetze genau festgelegt sind 1), so hat die Prü- 
fung und Genehmigung der Stände nur die Bedeutung einer Feststellung darüber, 
daß diese Einnahmen richtig veranschlagt sind. Eine Aenderung der durch gesetzliche 
Vorschriften näher bestimmten Abgabesätze, der Gebühren, der Sporteln und Taxen, 
der Bier-, Fleisch= und Verkehrssteuer zu bewirken, sind die Kammern beim Wider- 
streben der Regierung außerstande. Ihre Entscheidungsbefugnis erstreckt sich daher 
nur auf die Bestimmung der Einnahmen aus den als bewegliche behandelten Steuern, 
der Einkommen-, der Vermögens= und der Weinsteuer 2). 
Aber auch hier gilt die Einschränkung, daß die Bewilligung der einzelnen Steuern 
nicht an Bedingungen s) geknüpft werden kann, und daß die Stände diejenigen Ein- 
nahmen nicht verweigern dürfen, die zur Erfüllung von Verpflichtungen nötig sind, 
die dem Staate kraft Gesetzes obliegen, oder zur Bestreitung von Ausgaben dienen, 
welche zwischen der Regierung und den Ständen bereits vereinbart sind. 
Ebenso unterliegt andererseits die von den Ständen ausgehende Beschlußfassung 
über die im Etat vorgesehenen Ausgaben, soweit dieselben durch Rechtsansprüche 
dritter Personen begründet, oder zur Fortführung von Einrichtungen, die auf gesetz- 
lichem Wege geschaffen wurden, benötigt sind, einer rechtlichen Beschränkung. Die 
Verweigerung solcher Ausgaben ist den Ständen nicht gestattet. Ihr Ausgaben- 
bewilligungsrecht kann sich daher in vollem Umfange nur da betätigen, wo es sich um 
Ausgabepositionen handelt, die dem Gebiete des freien Ermessens angehören, wie 
bei Schaffung neuer Dienststellen oder bei Anforderungen für neu hervorgetretene 
Bedürfnisse. Aber auch hier darf die Bewilligung nicht an Bedingungen und Voraus- 
setzungen geknüpft werden, die dem bestehenden Rechtszustande widersprechen und 
ihrer Natur nach nur durch Gesetz zu normieren sind 4). 
Nach der Vorschrift des § 60 Ziff. 3 der Verf. Urk. geht der Entwurf des Finanz- 
gesetzes mit dem Staatsvoranschlag zunächst an die zweite Kammer. Die erste 
Kammer kann über denselben erst beschließen, wenn er von der zweiten Kammer 
angenommen ist, sie vermag indessen die einzelnen Teile des Staatsvoranschlages 
einer gesonderten Beschlußfassung zu unterziehen, sobald dieselben die zweite Kammer 
passiert haben. Weichen hinsichtlich einzelner Budgetpositionen die Beschlüsse der 
ersten Kammer von denen der zweiten ab, und ist auch bei wiederholter Beschlußfassung 
beider Kammern und nach vorausgegangenem Verständigungsversuch gemäß §& 75 
Abs. 2 der Verf.-Urk. eine Ausgleichung der Verschiedenheiten nicht zu erzielen, so 
1) Wozu auch die dem badischen Staat auf Grund seiner Mitgliedschaft im Reich zufließen- 
den Einnahmen gehören. 
2) Uebereinstimmend Buchenberger S. 7 und 8 und Glockner S. 123, die nur ver- 
sehentlich die Einkommensteuer zu den un beweglichen Steuern rechnen. Der im Texte vertretenen 
Anschauung steht der Umstand nicht entgegen, daß in der Anlage des Finanzgesetzes auch die Sätze 
der Biersteuer, Fleisch= und Verkehrssteuer mitangegeben, und daß im Schlußparagraphen des 
Gesetzes die Fortdauer der bestehenden Abgabesätze nochmals hervorgehoben wird. 
3) Gemeint sind hiermit natürlich nur die nicht mit der Zweckbestimmung der bewilligten 
Ausnahmen zusammenfallenden. Bedingungen, Verbot der sogen. bepackten Bills. 
4) Vgl. v. Calker a. a. O. S. 248.
	        
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