18 Die natürlichen Grundlagen des Staates. Das Staatsvolk. 8 10
kommt sie nur insofern in Betracht, als sie für die strafrechtliche Würdigung ge-
wisser Handlungen, die gegen den Bestand des Staates und seine Ordnung ge-
richtet sind, die sich als Treubruch, als Verrat darstellen, von Bedeutung ist.
Diese rein negative Wirkung der Treupflicht ist durch die Begründung des deut-
schen Reiches auch auf alle in Baden verweilenden Reichsangehörige erstreckt. Sie
gilt seitdem für die Badener in vieler Hinsicht auch gegenüber den andern deut-
schen Staaten, aus denen das Reich gebildet ist, und selbstverständlich ebenso wie
die Gehorsamspflicht in vollem Umfange gegenüber dem Reiche selber 1).
Die mehrerwähnte Leistung des Huldigungseides hat jeder männ-
liche Staatsangehörige, soweit er nicht den Fahneneid oder den Beamteneid ge-
schworen, nach Zurücklegung des 21. Lebensjahres zu erfüllen.
Beim Regierungswechsel wurde früher noch eine allgemeine Landeshuldigung
verlangt 2), im Jahre 1907 wurde von einer solchen Umgang genommen.
Die Abnahme des Eides erfolgt nach bestehender Vorschrift am Geburtstage
des Landesherrn durch den Bezirksbeamten des Wohnsitzes.
Eine rechtliche Bedeutung kommt dieser Eidesleistung nicht zu; die oben
genannten Verpflichtungen greifen ohne Unterschied Platz, ob der Eid geschworen
wird oder nicht; und ebensowenig erfährt derjenige, welcher den Eid nicht ge-
leistet, oder gar verweigert haben sollte, an seinen staatsbürgerlichen Rechten eine
Einbuße.
In früherer Zeit sah man in der Verweigerung des Huldigungseides einen
Verzicht auf das Staatsbürgerrecht. Der Weigerer trat in die Klasse der Frem-
den 3). Daß eine solche Schlußfolgerung heute nach der Reichsgründung unzu-
lässig, bedarf keiner näheren Darlegung. Bei dem völligen Schweigen des Ge-
setzes ist es auch unstatthaft, einen Staatsangehörigen, der den Huldigungseid
verweigert, von der Ausübung der sog. politischen Rechte auszuschließen "1). Eine
Bestimmung, wie sie z. B. das bayerische Recht enthält, nach dem die Leistung des
Untertaneneides ausdrücklich zur Voraussetzung des Erwerbes der politischen Rechte
erhoben ist 5), besteht für Baden nicht.
§ 10. Die Rechte der Staatsangehörigen. Der Verpflichtung der Staats-
angehörigen zum gesetzmäßigen Gehorsam entspricht als Korrelat das Recht der-
selben auf Unterlassung eines jedweden gesetzwidrigen Zwanges, auf Anerkennung
ihrer Freiheit in allen vom Staatsgesetze nicht ergriffenen Lebensgebieten.
Die Verf.-Urkunde hat diesem, wie oben erwähnt, in Baden früher bereits
1) RSt. Ss 80—93, Laband, StR. d. D. R. 1 815, Zorn, Dötf. Bd. I, S. 375 ff.
Die ältere Doktrin hatte aus der Verpflichtung zur Treue gegen die Verfassung eine förmliche
Rechtspflicht der Untertanen abgeleitet, über die richtige Anwendung der Verfassung zu wachen
und für dieselbe aktiv einzutreten. Vgl. Pfister a. a O. B-d. II, S. 55. Keinesfalls darf
man diese besondere Erwähnung der Verfassung im Huldigungseide mit dazu heranziehen, um
die oben erwähnte auch von Wielandt in Marg. Hdbuch. Bd. III 1, 3 vertretene Ansicht
zu stützen, daß die Gehorsamspflicht selbst gegenüber einer gesetzmäßigen Anordnung entfalle,
wenn das betr. Gesetz mit einer Bestimmung der Verfassung im Widerspruch stehe. Vgl. Wie-
landt a. a. O. S. 10.
2) Reg. Bl. 1852, S. 147.
3) Vgl. Pfister a. a. O. II, S. 52.
4) Solches geschah z. B. durch die St Min. Entschl. v. 19. März 1852 Nr. 1502 bez. der
Neutäufer und „Pietisten“. Vgl. auch Wielandt a. a. O. S. 12.
5) Vgl. v. Seydel, Bayr. StR. 1 § 78.