Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band V. Das Staatsrecht des Großherzogtums Baden. (5)

310 Die innere Verwaltung. Die Polizei. 8 100 
  
sterium des Innern zulässigt). Die aus der Unterbringung im Arbeitshause entstehenden 
Verpflegungskosten sind zur Hälfte von der Staatskasse und zur Hälfte von dem 
unterstützungspflichtigen Armenverband zu tragen 2). 
3. Die polizeiliche Kontrolle über die vorläufig entlassenen Strafgefangenen wird 
nach einer BO. vom 29. Dez. 1871 3) durch das Bezirksamt des Entlassungs= bezw. 
des jedesmaligen Aufenthaltsortes ausgeübt unter Mitwirkung der Ortspolizeibehörde. 
§ 100. Preß-, Bereins= und Versammlungspolizei. 1. Auf Grund des im 
30 Abs. 2 des RPreßGes. zugunsten der Landesgesetzgebung gemachten Vorbe- 
haltes hat der Art. 3 des bad. Einf. Ges. zum NR Pr G. vom 20. Juni 18744") die 
Bestimmung getroffen, daß von Bekanntmachungen, Plakaten und Aufrufen, die 
öffentlich angeschlagen, ausgestellt oder auf Straßen, öffentlichen Plätzen oder an- 
dern öffentlichen Orten unentgeltlich verteilt werden sollen, bei Vermeidung 
einer Geldstrafe bis zu 150 Mark oder einer Haftstrafe bis zu 6 Wochen, vor dem Be- 
ginn der oben bezeichneten Veröffentlichung ein Pflichtexemplar der Ortspolizei- 
behörde abzuliefern ist. Ausgenommen von dieser Vorschrift sind amtliche Bekannt- 
machungen und andere auf gesetzlich nicht verbotene Versammlungen, Vergnügungen 
oder auf gewerbliche Mitteilungen und Aehnliches gerichtete Veröffentlichungen 5). 
2. An die Stelle der für Baden letztmals durch das Gesetz vom 21. Nov. 1867 
erlassenen Vorschriften über das öffentliche Vereins= und Versammlungsrecht sind 
mit dem 15. Mai 1908 die Bestimmungen des unterm 19. April gl. J. erlassenen 
Reichsvereinsgesetzes s) und der zu demselben ergangenen badischen Vollz. BO. vom 
11. Mai 1908 getreten?). 
Von dem bisher in Baden geltenden Rechte unterscheiden sich die reichsrechtlichen 
Vorschriften im wesentlichen nur dadurch, daß sie die Freiheit der Vereinsbildung und 
der Versammlung mit festeren und unter den Verwaltungerechtsschutz gestellten 
Garantien umgeben 8). Die für öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel im 
Res. als Regel vorgesehene Genehmigungspflicht, die das badische Recht nicht kannte, 
hat durch die Vollz. V O. eine wesentliche Abschwächung erfahren; gleiches gilt be- 
1) Ausnahmen von der Unterbringung im Arbeitshaus, welche gegenüber den Reichsangehö- 
rigen die Regel bilden soll, sind insbesondere wegen körperlicher Unfähigkeit oder wegen körper- 
licher oder geistiger Gebrechen zugelassen. § 2 der VO. 
2) Art. 13 Ziff. 4 des LEG. zum RStr#B. v. 23. Dez. 1871. Die Verpflegungskosten sind 
ur Zeit auf jährlich 240 Mark festgesetzt. Ueber die im Arbeitshaus zulässigen Disziplinar- 
* afen vgl. Ges. v. 21. Dez. 1878 (G. u. VOBl. S. 247). 
z6 , G.u. VOl. S. 491; abgeändert durch BO. v. 19. Nov. 1890 G.u. VOl. S. 694 besonders 
4) RGes. über die Presse v. 7. Mai 1874 (Röl. S 65) sowie G.u. B l. 1874 S. 279. 
5) Die Polizeibehörde hat die geschehene Ablieferung auf Verlangen zu bescheinigen. Ueber 
die für das entgeltliche Verteilen reichsrechtlich verlangte Erlaubnis vgl. die Gew. O. 43. 
6) Reg. Bl. S. 151. 
7) G.u. VOl. S. 103; vgl. ferner den Ausf. Erlaß des Min. d. J. vom 11. Mai 1908 Nr. 24056 
(Zeitschrift S. 118). Die Bestimmung der nach dem Vereinsrechte des BG#. zur Tätigkeit be- 
rufenen Verwaltungsbehörden und Verwaltungsgerichte ist durch die §§ 10 ff. der Allgem. Ausf.= 
V0O. vom 11. Nov. 1899 erfolgt. 
8) Nach badischem Rechte konnte ein Verein vom Minist. d. J. schon dann verboten werden, 
wenn derselbe den Staatsgesetzen oder der Sittlichkeit zuwiderlief, oder wenn er den Staat oder die 
öffentliche Sicherheit gefährdete. Als Rechtsmittel war nur der Rekurs an das St. Minist. zuge- 
lassen. Analoge Gründe berechtigten die staatlichen Polizeibehörden zur Auflösung einer Volks- 
versammlung; hier bestand jedoch nach §& 4 Ziff. 1 VRufl G. unter Umständen die Möglichkeit einer 
verwaltungsgerichtlichen Klage.
	        
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